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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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nicht.
    »Er sagte, Ihr hättet ihn schneller aus einer üblen Laune holen können als jeder andere – obwohl Ihr, wie jede wirksame Medizin, schwer zu schlucken gewesen wärt.« Elisabeth sah lächelnd zu, wie Matthew in lautes Lachen ausbrach, doch im nächsten Moment wurde sie wieder ernst. »Er war ein großer und schrecklicher Mann – und ein Narr dazu.«
    »Alle Männer sind Narren, Eure Majestät«, sagte Matthew galant.
    »Nein. Lasst uns offen sprechen, so als wäre ich keine Königin und Ihr kein Wearh. «
    »Nur wenn Ihr mich einen Blick auf Euren Zahn werfen lasst«, sagte Matthew und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Einst hätte Euch die Einladung, ein offenes Wort mit mir zu sprechen, genügt, und Ihr hättet meinen Vorschlag nicht an weitere Bedingungen geknüpft.« Elisabeth seufzte. »Ich verliere wohl mehr als nur meine Zähne. Nun denn, Master Roydon.« Sie öffnete gehorsam den Mund. Obwohl ich ein paar Schritte entfernt stand, roch ich die Fäulnis. Matthew hielt ihren Kopf mit beiden Händen fest, um sich das Problem genauer zu besehen.
    »Es ist ein Wunder, dass Ihr überhaupt noch Zähne im Mund tragt«, erklärte er streng. Elisabeth lief vor Zorn rosa an und wollte ihn zurechtweisen. »Ihr dürft mich anschreien, wenn ich fertig bin. Dann werdet Ihr auch allen Grund dazu haben, denn dann werde ich Eure kandierten Veilchen und den süßen Wein konfisziert haben. Damit bleibt Euch nichts Schädlicheres zu trinken als Pfefferminzwasser und nichts anderes zu lutschen als Nelkengummi für Euer Zahnfleisch. Es ist voller Abszesse.«
    Matthew fuhr mit dem Finger über ihre Zähne. Mehrere wackelten erschreckend, und Elisabeth traten fast die Augen aus dem Kopf. Er brummte missbilligend.
    »Ihr mögt ganz England beherrschen, Lizzie, aber deshalb versteht Ihr trotzdem nichts von Heilkunde und Chirurgie. Es wäre weiser gewesen, den Rat Eures Leibarztes zu beherzigen. Jetzt haltet still.«
    Während ich versuchte, die Fassung zu wahren, nachdem mein Gemahl die Königin von England als »Lizzie« angesprochen hatte, zog Matthew seinen Zeigefinger aus ihrem Mund, fuhr damit über seinen eigenen spitzen Eckzahn, sodass ein Blutstropfen auf der Kuppe perlte, und schob ihn dann wieder in Elisabeths Mund. Er war vorsichtig, trotzdem verzog die Königin vor Schmerz das Gesicht. Gleich darauf sanken ihre Schultern erleichtert herab.
    »’anke«, murmelte sie um seinen Finger herum.
    »Dankt mir noch nicht. Wenn ich hier fertig bin, werdet Ihr im Umkreis von fünf Meilen kein Zuckerwerk und kein Konfekt mehr finden. Und die Schmerzen werden wiederkehren, fürchte ich.« Matthew zog seinen Finger zurück, und die Königin tastete mit der Zunge ihre Mundhöhle ab.
    »Wenigstens ist er fürs Erste verschwunden«, erklärte sie dankbar. Elisabeth deutete auf die Stühle neben ihrem. »Ich fürchte, mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Rechnung zu begleichen. Setzt Euch und erzählt mir von Prag.«
    Nachdem wir mehrere Wochen am kaiserlichen Hof verbracht hatten, wusste ich, welches Privileg es war, in Gegenwart eines Herrschers sitzen zu dürfen, aber ich war doppelt dankbar, dass ich es ausgerechnet jetzt durfte. Auf der langen Reise hatte sich die Müdigkeit, die in den ersten Schwangerschaftswochen ganz normal war, empfindlich verschärft. Matthew zog mir einen Stuhl heran, und ich ließ mich darauf sinken. Ich presste mich gegen die Schnitzereien und massierte mit den Holzknoten und -knöpfen meine schmerzenden Rückenmuskeln. Wie von selbst kam Matthews Hand auf derselben Stelle zu liegen und löste leise knetend die Verhärtungen. Neid blitzte im Antlitz der Königin auf.
    »Ihr leidet ebenfalls Schmerzen, Mistress Roydon?«, erkundigte sich die Königin fürsorglich. Sie war viel zu nett. Wenn Rudolf so einen Höfling ansprach, drohte das Schlimmste.
    »Ja, Eure Majestät. Leider lassen sie sich nicht mit Pfefferminzwasser vertreiben«, erklärte ich bedauernd.
    »Und Ihr werdet damit auch nicht Rudolfs gesträubtes Gefieder glätten. Sein Botschafter hat mir ausgerichtet, dass Ihr eines der kaiserlichen Bücher gestohlen habt.«
    »Welches Buch denn?«, fragte Matthew. »Rudolf besitzt so viele.« Da die meisten Vampire den Zustand der Unschuld schon lange verlassen hatten, klang seine arglose Frage wenig glaubwürdig.
    »Wir treiben hier keine Spiele, Sebastian«, beschied ihn die Königin ruhig und bestätigte meinen Verdacht, dass Matthew an Heinrichs Hof den Namen Sebastian St. Clair

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