Wo die Nacht beginnt
viel wird es kosten, Euch aus dem Schlamassel zu holen?«
»Bei meinem Schneider.« Kit schwenkte die Hand über sein teures Wams. »Und dem Drucker des Tamburlaine .« Er zögerte und versuchte die ausstehenden Summen der Wichtigkeit nach einzuordnen. »Bei Hopkins, diesem Schuft, der sich Vermieter nennt. Aber immerhin habe ich das hier.« Kit hielt die winzige Diana-Figur in die Höhe, die er Matthew am Sonntagabend beim Schach abgenommen hatte. Ich hatte immer noch Skrupel, die Statuette aus den Augen zu lassen, und beugte mich unwillkürlich vor.
»Ihr könnt unmöglich so knapp bei Kasse sein, dass Ihr diesen Trödel für ein paar Pennys verscherbelt.« Matthews Blick zuckte zu mir herüber, und eine kurze Handbewegung ließ mich auf meinen Stuhl zurücksinken. »Ich werde mich um alles kümmern.«
Marlowe sprang feixend auf und steckte die silberne Göttin wieder ein. »Auf Euch kann man immer zählen, Matt. Natürlich werde ich es zurückzahlen.«
»Natürlich«, murmelten Matthew, Walter und George zweifelnd.
»Aber behaltet genug Geld zurück, damit Ihr Euch einen Bart kaufen könnt.« Kit strich zufrieden über seinen eigenen. »Ihr seht grässlich aus.«
»Einen Bart kaufen?« Ich hatte mich bestimmt verhört. Wahrscheinlich verwendete Marlowe wieder einmal einen umgangssprachlichen Ausdruck, obwohl Matthew ihn gebeten hatte, das zu unterlassen, damit ich ihn nicht missverstand.
»In Oxford gibt es einen Barbier, der ein wahrer Zauberer ist. Das Haar Eures Gemahls wächst nur sehr langsam, so wie bei allen seiner Art, und er ist glattrasiert.« Als ich Kit immer noch verständnislos ansah, fuhr er übertrieben geduldig fort: »So wie Matt jetzt aussieht, wird er überall auffallen. Er braucht um jeden Preis einen Bart. Offenbar seid Ihr nicht Hexe genug, ihm einen zu zaubern, darum müssen wir jemanden finden, der das übernimmt.«
Mein Blick wanderte zu dem leeren Krug auf dem Ulmenholztisch. Françoise hatte darin Zweige von einer Steineiche, Äste einer Mispel, deren braune Früchte an Hagebutten erinnerten, sowie ein paar roten Rosen arrangiert. Vor ein paar Stunden hatte ich in den Zweigen gefingert, um die Rosen und Mispeln auf die Vorderseite der Vase zu holen, und dabei an den Garten gedacht. Etwa fünfzehn Sekunden hatte ich mich an dem Ergebnis erfreut, dann waren alle Blüten und Früchte vor meinen Augen verdorrt. Die Trockenheit hatte sich von meinen Fingerspitzen aus in alle Richtungen ausgebreitet, gleichzeitig hatten meine Hände unter den Informationen gekribbelt, die ich aus den Pflanzen gezogen hatte: dem Gefühl von Sonnenschein, dem kühlen Streicheln des Regens, der Kraft der Wurzeln, dem Geschmack des Bodens.
Matthew hatte recht. Seit wir uns im Jahr 1590 befanden, veränderte sich meine Magie. Von Hexenfeuer, Hexenflut und Hexenwind, die so unerwartet ausgebrochen waren, nachdem ich Matthew kennengelernt hatte, war nichts mehr zu spüren. Stattdessen nahm ich die strahlenden Fäden der Zeit wahr und die farbige Aura, die alle Lebewesen umgab. Jedes Mal, wenn ich durch den Garten ging, sah mich aus dem Schatten unter den Eichen ein weißer Hirsch an. Und jetzt brachte ich Pflanzen zum Welken.
»Witwe Beaton wartet«, ermahnte uns Walter und schob Tom sanft zur Tür.
»Und wenn sie meine Gedanken hören kann?«, sorgte ich mich, während wir die breite Eichentreppe hinabschritten.
»Mir macht mehr Sorgen, was Ihr der Frau ins Gesicht sagen könntet. Tut nichts, was sie eifersüchtig oder feindselig machen könnte«, riet mir Walter. »Falls nichts anderes hilft, dann lügt. Matthew und ich tun das dauernd.«
»Hexen können einander nicht belügen.«
»Das nimmt kein gutes Ende«, murmelte Kit düster. »Darauf würde ich mein ganzes Geld setzen.«
»Es reicht.« Matthew wirbelte herum und packte Kit am Kragen. Die beiden englischen Mastiffs schnupperten knurrend an Kits Knöcheln. Sie waren Matthew treu ergeben – und konnten Kit nicht besonders leiden.
»Ich habe doch nur gesagt …«, setzte Kit an und versuchte sich zappelnd zu befreien. Matthew ließ ihm keine Gelegenheit, den Satz auszusprechen, und rammte ihn gegen die Wand.
»Was Ihr sagt, interessiert hier nicht, und was Ihr gemeint habt, war deutlich genug.« Matthew verstärkte seinen Griff.
»Lasst ihn runter.« Walter hatte eine Hand auf Marlowes Schulter gelegt, die andere auf Matthews. Ohne auf Raleigh zu reagieren, hob Matthew seinen Freund eine Handbreit höher in die Luft. In seinem rot-schwarzen
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