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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Lügen, die sein Neffe verbreiten musste, um dem historischen Matthew zu verheimlichen, dass er vorübergehend durch sein zukünftiges Selbst ersetzt worden war. Der Matthew des 16. Jahrhunderts durfte weder Kit noch Louisa begegnen, da beiden nicht zu trauen war. Walter und Henry würden sich etwas ausdenken müssen, um sein sprunghaftes Verhalten zu erklären. Matthew schickte Hancock nach Schottland, wo der ursprüngliche Matthew ein neues Leben beginnen sollte. Ich arbeitete mit Goody Alsop und versuchte die Knoten zu perfektionieren, die uns in die Zukunft tragen würden.
    Nach einer meiner Lehrstunden traf Matthew mich in St. James Garlickhythe und schlug vor, auf dem Heimweg über den Kirchhof von St. Paul’s zu schlendern. Es waren noch zwei Wochen bis zur Sommersonnenwende, und die Tage waren sonnig und klar, auch wenn wir nach dem Erlebnis in Bedlam wie unter einer Dunstglocke lebten.
    Zwar wirkte Matthew nach dem Erlebnis mit Louisa und Kit immer noch ausgelaugt, trotzdem fühlte ich mich fast an die ersten Tage in London erinnert, als wir an den Buchständen stehen blieben und die neuesten Titel und Nachrichten inspizierten. Ich schmökerte gerade in einem erbitterten Wortkrieg zwischen zwei Cambridge-Professoren, als Matthew plötzlich erstarrte.
    »Kamille. Eichenblätter. Und Kaffee.« Sein Kopf fuhr zu dem unbekannten Duft herum.
    »Kaffee?«, fragte ich und rätselte, wie etwas, das in England noch völlig unbekannt war, vor St. Paul’s als Duft in der Luft liegen konnte. Aber Matthew war nicht mehr neben mir, um das zu beantworten. Stattdessen schob er sich, das Schwert in der Hand, durch die Menge.
    Ich seufzte. Matthew musste immer noch jedem Dieb auf dem Markt nachstellen. Manchmal wünschte ich, sein Blick wäre weniger scharf und sein moralischer Kompass nicht so unfehlbar.
    Diesmal verfolgte er einen Mann, der eine gute Handbreit kleiner war als er und dessen dichte braune Locken schon grau gesprenkelt waren. Der Mann war schlank und ging leicht gebückt, als hätte er zu lange über seinen Büchern gebrütet. Etwas an dieser Kombination kam mir ungemein vertraut vor.
    Der Mann spürte die nahende Gefahr und drehte sich um. Dummerweise trug er nur einen armseligen kleinen Dolch, kaum größer als ein Taschenmesser. Damit würde er gegen Matthew kaum etwas ausrichten. Um ein Blutbad zu vermeiden, stürzte ich meinem Ehemann hinterher.
    Matthew packte die Hand des armen Kerls so fest, dass die lausige Waffe zu Boden fiel. Mit einem Knie presste der Vampir sein Opfer gegen den nächsten Bücherstand und drückte dann das Schwert mit der Breitseite gegen den Hals des Mannes. Ich erstarrte.
    »Daddy?«, flüsterte ich. Das war doch nicht möglich. Ich starrte ihn ungläubig an, und mein Herz hämmerte vor Freude und Schreck.
    »Hallo, Miss Bishop«, erwiderte mein Vater und sah von Matthews scharfer Klinge auf. »Dass wir uns hier begegnen!«

37
    S eelenruhig stand mein Vater dem fremden, bewaffneten Vampir und seiner eigenen erwachsenen Tochter gegenüber. Nur das leise Beben in seiner Stimme und die weißen Finger, mit denen er sich am Bücherstand einkrallte, verrieten seine Nervosität.
    »Dr. Proctor, nehme ich an.« Matthew trat zurück und schob das Schwert in die Scheide.
    Mein Vater zog seine praktische braune Jacke gerade. Sie passte überhaupt nicht hierher. Jemand – wahrscheinlich meine Mutter – hatte versucht, eine enge Jacke mit Stehkragen in etwas umzuschneidern, das an einen Priesterrock erinnern sollte. Und seine Hose war viel zu lang, so etwas hätte eher Ben Franklin als Sir Walter Raleigh getragen. Aber die vertraute Stimme, die ich sechsundzwanzig Jahre lang nicht gehört hatte, passte genau.
    »Du bist in den letzten drei Tagen ganz schön gewachsen«, sagte er zittrig.
    »Du siehst genauso aus, wie ich dich in Erinnerung habe«, sagte ich wie betäubt, immer noch verdattert, dass er tatsächlich vor mir stand. Dann fiel mir ein, dass zwei Hexen und ein Wearh vielleicht Aufmerksamkeit erregen könnten, und ich besann mich auf gesellschaftliche Konventionen, zumal ich nicht wusste, wie ich in dieser ungewohnten Situation reagieren sollte. »Möchtest du auf ein Glas Wein mit zu uns kommen?«, schlug ich verlegen vor.
    »Natürlich, Schatz. Das wäre wunderbar.« Er nickte unsicher.
    Mein Vater und ich konnten die Blicke nicht voneinander wenden – weder auf dem Heimweg noch im Hart and Crown, wo wir in Sicherheit und, wie durch ein Wunder, allein waren. Dort drückte er

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