Wo die Nelkenbaeume bluehen
der so lange den Pflug zog, bis er zusammenbrach. Die Katze, deren Junge man im Brunnen ertränkte, weil man sie nicht durchfüttern wollte. Der Hund, den man so lange bis aufs Blut quälte, bis er zuschnappte – und damit dann rechtfertigte, dass man ihn erschießen durfte.
Annemarie presste sich die Handballen vor die Augen, um die Bilder zu vertreiben, die unwillkürlich vor ihr aufblitzten. Schließlich setzte sie sich auf und sagte: „Ich muss etwas tun, um zu helfen. Ganz gleich, wie riskant es auch sein mag. Ich kann einfach nicht zusehen, wie diese himmelschreiende Ungerechtigkeit Tag für Tag aufs Neue geschieht, ohne etwas dagegen zu unternehmen.“
Nathan legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Was willst du denn tun?“, fragte er. „Die britische Marine versucht seit Jahren, die Verschiffung von Sklaven von Sansibar aus zu unterbinden. Doch im Grunde kämpfen wir gegen Windmühlen an.“ Er lächelte humorlos. „Wenn es nicht einmal dem mächtigen Empire gelingt, diesen Menschenhandel zu stoppen, was sollen wir als einzelne Personen dagegen unternehmen?“
„Soll das heißen, du würdest auch helfen?“ Ein Funken Hoffnung keimte in Annemarie auf. Die Hoffnung, dass der Plan, der seit ihrer Begegnung mit Henriette in ihr heranreifte, tatsächlich durchführbar sein konnte.
Er nickte. „Natürlich. Ebenso wie Mack und das ganze Corps. Wir würden einiges dafür geben, zur Abwechslung endlich einmal etwas wirklich Sinnvolles zu tun.“
Annemarie nickte. Sie wusste nicht warum – aber sie spürte, dass sie Nathan vertrauen konnte. Wenn nicht ihm, wem dann?
„Hör zu“, sagte sie, „ich habe da eine Idee. Sie ist riskant, aber es könnte funktionieren …“
Jambiani, Sansibar, Januar 1888
„Schnell!“, trieb Annemarie den jungen Mann und seine Schwester mit gesenkter Stimme zur Eile an. „Und seid vorsichtig! Wenn euch irgendjemand sieht, ist alles aus!“
Die beiden liefen los, und auf halber Strecke zum Wagen nahm Henriette sie in Empfang. Wirklich aufatmen konnte Annemarie aber erst, als alle drei außer Sichtweite waren. In dem Moment trat auch schon Celia wieder auf die Veranda hinaus – nicht ahnend, was sich soeben hinter ihrem Rücken abgespielt hatte.
Es war jetzt das sechste Mal innerhalb von anderthalb Monaten, das Annemarie auf der Farm der Bennetts zu Besuch war. Nicht etwa, weil sie Celias Gesellschaft so sehr schätzte. Ihre ehemalige Reisegefährtin hatte sich nicht im Geringsten verändert. Für sie zählten nach wie vor ausschließlich materielle Dinge, und es fiel Annemarie nicht immer leicht, stundenlang ihrem geistlosen Geplapper zuhören und Interesse heucheln zu müssen. Doch nur so konnte sie das tun, was sie gemeinsam mit Nathan, Mack und Henriette ausgeheckt hatte.
Im Grunde war es lächerlich einfach. Annemarie nutzte die Tatsache, dass sie in Celias Haus ein gern gesehener Gast war, um sie in regelmäßigen Abständen zu besuchen. Dass sie, im Gegensatz zu ihren ersten Treffen, nun immer in einem geschlossenen Wagen kam, erregte glücklicherweise keinen Verdacht. Für die Durchführung ihres Vorhabens war dies ebenso essenziell wie die Tatsache, dass Khamisi sich bereit erklärt hatte, ihnen zu helfen.
Mitten auf dem Grundstück der Bennett-Farm, unterstützt von den dort lebenden Sklaven, die ihre knappe Verpflegung und manchmal auch ihre Quartiere mit ihnen teilten, versteckte Henriette Flüchtlinge von überallher. Die Plantage war ihre erste Anlaufstelle. Hier blieben sie so lange, bis einer von Annemaries Besuchen auf der Plantage anstand. Und während diese Celia ablenkte, passte Henriette einen günstigen Moment ab, um die Entlaufenen in der Kutsche zu verstecken.
Auf eigene Faust hätten es die Flüchtlinge niemals bis in die Stadt, geschweige denn bis zum Hafen geschafft. Doch niemand käme je auf den Gedanken, Annemaries Wagen zu überprüfen. Warum auch? Sie war die Ehefrau von Albrecht Rosenthal. Mehr als unwahrscheinlich, dass sie sich für ein paar dahergelaufene, schmutzige Sklaven einsetzen würde.
Auf dem Heimweg machte Khamisi nun immer einen kleinen Umweg zu den Docks, wo die Majestic anlag – das Kanonenboot, auf dem Mack und Nathan dienten. Die beiden hatten keine großen Anstrengungen unternehmen müssen, um ihren Kommandanten zu überzeugen, Unterstützung zu leisten. Wie Nathan bereits vermutet hatte, war Captain Bartholomew frustriert darüber, wie wenig sie wirklich tun konnten, um dem arabischen Sklavenhandel Herr zu
Weitere Kostenlose Bücher