Wo die Nelkenbaeume bluehen
beinahe zu einhundert Prozent sicher, dass dem nicht so war. Doch jetzt war es zu spät, um daran noch etwas zu ändern.
5. KAPITEL
„Ich weiß nicht – vielleicht sollte ich mir besser eine Ausrede einfallen lassen“, überlegte Lena laut, als sie am nächsten Tag auf der Gewürzfarm bei Aaliyah in der Küche saß. „Andy ist gerade einmal seit etwas mehr als sechs Monaten tot. Ich kann doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und mich mit anderen Männern treffen, so als hätte es ihn nie gegeben!“
Missbilligend schnalzte Aaliyah mit der Zunge. Vor ihr stand, ebenso wie vor Lena, eine Tasse mit Kaffee, den sie jedoch beide bisher nicht angerührt hatten.
Draußen war die Sonne bereits im Sinken begriffen. Ihre rotgoldenen Strahlen tauchten den Raum in ein diffuses Licht. Doch auch das konnte nicht verbergen, dass die Kücheneinrichtung schon bessere Tage erlebt hatte.
Obwohl mit viel Liebe instand gehalten, sahen einige der Möbel doch aus, als könnten sie jeden Moment zusammenbrechen. Der Stuhl, auf dem Lena saß, quietschte bei jeder Bewegung, und eines der Beine des Küchentisches war durch einen roh in Form geschnitzten Ast ersetzt worden.
Alles in allem war es ein Bild des Jammers, das deutlich zeigte, in welch angespannter finanzieller Lage sich die Farm befand. Nichtsdestotrotz fühlte Lena sich wohl. Was sicher nicht zuletzt daran lag, dass die Menschen hier – allen voran Aaliyah – sie mit offenen Armen empfangen hatten.
„So sollten Sie nicht denken, Lena. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie Andy vergessen. Aber nur weil er tot ist, können Sie doch nicht aufhören, Ihr eigenes Leben weiterzuleben.“
Lena runzelte die Stirn. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass Aaliyah recht hatte. Dennoch plagte sie ihr Gewissen. Es erschien ihr einfach nicht richtig, jetzt schon mit einem anderen Mann auszugehen – selbst wenn es sich nur um eine harmlose Verabredung zum Abendessen handelte, die weder Stephen Alistair noch ihr selbst etwas bedeutete.
Wie naiv bist du eigentlich? Hast du schon vergessen, wie dein Herz geflattert hat, als du ihn wiedergesehen hast? Wem willst du erzählen, dass du dich nicht für ihn interessierst?
Seufzend fuhr sie sich durchs Haar. Sie war vor ein paar Stunden hier hinausgefahren, weil sie die Anspannung, allein auf ihrem Zimmer darauf zu warten, dass er um acht Uhr vor dem Hotel vorfuhr, nicht mehr ausgehalten hatte.
Dass sie so nervös war, behagte ihr nicht. Er war nur ein Mann, der ihr aus einer Notsituation geholfen hatte. Nach heute Abend würden sie sich vermutlich niemals wiedersehen. Und dass sie seine Einladung angenommen hatte, war reine Höflichkeit gewesen – oder?
„Lassen Sie uns lieber über etwas anderes sprechen“, sagte sie. „Der Notar hat mir mitgeteilt, dass jeder Interessent bei der Versteigerung die Gelegenheit erhält, für die Farm zu bieten.“
Aaliyah hob eine Braue. „Sie sind sich wirklich sicher, dass Sie sich das gut überlegt haben?“
Es waren fast dieselben Worte, die sie auch von Mr Jamisson gehört hatte. Doch die Tatsache, dass Aaliyah ihr ebenfalls zur Vorsicht riet, bestärkte Lena sogar noch in ihrem Eindruck, dass diese Menschen es einfach verdienten, dass sie sich für sie einsetzte.
Außerdem ging es hier ja praktisch um Andys Erbe. Wären die Dinge anders verlaufen und wäre Andy noch am Leben, dann würde zumindest ein Teil von all dem hier nun ihm gehören – mit allen Konsequenzen. Und sie war sich sicher, dass er für den Erhalt der Gewürzfarm gekämpft hätte, selbst wenn es nötig gewesen wäre, ein kleines Vermögen aufzubringen.
War das nicht Grund genug, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen?
„Natürlich bin ich mir nicht sicher“, entgegnete sie mit einem Lächeln. „Doch was im Leben ist schon wirklich planbar? Nein, dieser verdammte Unfall damals hat mir mehr als deutlich vor Augen geführt, dass es keinen Sinn hat, alles immer nur auf später zu verschieben. Ich lebe jetzt, in diesem Moment. Und genau jetzt bin ich davon überzeugt, dass es die einzig richtige Entscheidung ist, die Spice-Farm zu kaufen.“
Aaliyah wirkte dennoch skeptisch. „Und trotzdem ist es mir wichtig, dass Sie erfahren, auf was Sie sich einlassen. Es ist heutzutage so gut wie unmöglich, eine Gewürzfarm zu einem profitablen Unternehmen zu machen. Früher sicherlich, vor hundert oder mehr Jahren, als exotische Gewürze zum Teil noch mit Gold aufgewogen wurden. Aber heute … Die meisten Farmer sind froh,
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