Wo die Nelkenbaeume bluehen
wenn sie einigermaßen über die Runden kommen. Dieses Geschäft ist schon lange nicht mehr einträglich.“
„Darum geht es mir auch gar nicht“, versuchte Lena zu erklären. „Das Geld, mit dem ich die Farm kaufen würde, stammt aus Andys Lebensversicherung. Ich …“ Sie schüttelte den Kopf, unfähig, ihren Gedanken in Worte zu fassen. „Es erscheint mir einfach nicht richtig, mir damit ein schönes Leben zu machen, verstehen Sie? Ich habe das Geld schließlich nur, weil Andy tot ist.“
Aaliyah nickte langsam. Ihr Gesicht wirkte sorgenvoll. „Vielleicht überrascht es Sie, aber ich kann Sie sogar sehr gut verstehen – was nicht bedeutet, dass ich es für richtig halte, was Sie vorhaben.“ Sie nahm einen winzigen Schluck von ihrem Kaffee und verzog das Gesicht. „Kalt.“
„Was würden Sie an meiner Stelle tun?“ Es war eine Frage, die man für gewöhnlich keinem Menschen stellte, den man gerade erst kennengelernt hatte.
Doch Aaliyah schien es ihr nicht übel zu nehmen. Nachdenklich krauste sie die Stirn. „Das ist nicht so leicht zu beantworten, denn meine Situation unterscheidet sich doch recht deutlich von der Ihren. Für mich ist die Farm mein Zuhause. Ich lebe hier mit meiner Familie, mein Sohn kennt nichts anderes. Natürlich wäre es für mich eine Katastrophe, mit ansehen zu müssen, wie das alles hier dem Erdboden gleichgemacht wird. Aber Sie …“ Sie schüttelte den Kopf. „Immer wenn ich versuche, die ganze Angelegenheit von einem neutralen Standpunkt aus zu betrachten, komme ich zu demselben Schluss: Sie wären verrückt, sich diesen Klotz ans Bein zu binden. Die Bennett’s Clove and Spice Farm ist Lichtjahre davon entfernt, ein rentables Unternehmen zu sein. Sie können sich eigentlich nur die Finger verbrennen, wenn Sie sich darauf einlassen.“
Lena nickte. Sie wusste, dass Aaliyah vermutlich recht hatte. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ein Teil von ihr fest entschlossen war, bei der Versteigerung der Spice-Farm mitzubieten.
„Es ist fast sechs – haben Sie schon entschieden, was Sie bezüglich Ihrer Verabredung tun wollen?“
Lena seufzte. Überhaupt nichts war entschieden. Doch Aaliyahs Worte hatten sie nachdenklich gestimmt. Dass sie den Unfall überlebt hatte und Andy nicht, war kein Grund, sich schuldig zu fühlen. Und es gab ihr auch keine Entschuldigung dafür, sich selbst aufzugeben.
Andy hätte nicht gewollt, dass sie sich in ihrer Trauer vergrub und darüber die Welt um sich herum vergaß. Nein, er hätte gewollt, dass sie glücklich war.
Auch ohne ihn.
„Es wäre vermutlich ziemlich unhöflich, so kurzfristig abzusagen“, sagte sie.
Aaliyah nickte zufrieden. „So gefallen Sie mir schon besser, Lena. Machen Sie sich einen schönen Abend und amüsieren Sie sich.“
Lena lächelte. Ja, warum eigentlich nicht? Es schien ihr eine kleine Ewigkeit her zu sein, seit sie das letzte Mal Spaß gehabt hatte. Ob sie das überhaupt noch konnte, sich amüsieren?
Nun, du wirst es vermutlich sehr bald feststellen …
Eine Stunde später stand Lena in ihrem Hotelzimmer vor dem Spiegel und musterte sich kritisch. Der Inhalt ihres Koffers gab nichts her, was für besondere Anlässe geeignet war. Es fanden sich vor allem dünne Blusen, T-Shirts und Hosen in verschiedenen Längen darin.
Gezwungenermaßen hatte sie sich für ein paar kakifarbene Leinenshorts und ein ärmelloses Top aus cremefarbener Seide entschieden. Prüfend hielt sie ihr Haar abwechselnd wie zu einer Hochsteckfrisur hoch oder ließ es einfach offen über die Schultern fallen. Beides entsprach nicht wirklich dem, was ihr vorschwebte.
Aber warum machte sie sich eigentlich überhaupt all die Mühe? Es ging hier schließlich nur um ein zwangloses Abendessen. Stephen Alistair erwartete gewiss nicht von ihr, dass sie sich festlich kleidete. Zumindest hoffte sie das.
Hör endlich auf, dich wegen dieses Mannes verrückt zu machen. Er muss sich eben mit dem zufriedengeben, was er bekommt!
Sie schloss die Augen und atmete tief durch.
Krümel, der sich inzwischen heimisch bei ihr eingerichtet zu haben schien, sprang von seinem Stammplatz auf der Couch und strich Lena schnurrend um die Beine, so als wolle er ihr Mut machen. Nun, was das betraf, konnte sie alle Unterstützung brauchen, die sie bekam. Denn mit jeder Minute, die verstrich, wurde ihr mulmiger zumute, und die Zweifel kehrten zurück.
War es wirklich eine gute Idee, sich mit ihm zu treffen?
Reiß dich zusammen, Lena Bluhm! rief sie
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