Wo die Nelkenbaeume bluehen
Lena herum war es überall grün. Hohe Farne, deren Wedel bis zu zwei Meter in die Höhe ragten, Sträucher, Stechpalmen und Teakholzbäume wuchsen rings umher. Der Boden und die Stämme der Bäume waren mit Moosen und Flechten bedeckt. Lianen hingen von den Ästen herab, und ein erdiger Geruch lag in der Luft. Hätte Lena es nicht besser gewusst, sie hätte geglaubt, sich mitten im Dschungel zu befinden.
Und dann – von einem Augenblick zum anderen – öffnete sich der Wald zum Strand hin, und ihr stockte vor Staunen der Atem.
Der Strand erstreckte sich rechts und links von ihr, so weit das Auge reichte, und nicht ein einziger anderer Mensch war zu sehen. Spontan kickte sie sich die Schuhe von den Füßen. Sie wollte den weißen, puderigen Sand zwischen den Zehen spüren.
Lena fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen. Sorgenfrei und unbeschwert – und sei es auch nur für den Augenblick. Der Sand war so heiß, dass es eine Wohltat war, die Füße im Wasser des Indischen Ozeans abzukühlen, der auch zehn Meter hinter der Wassergrenze noch immer so seicht war, dass ihr das Wasser gerade einmal bis zu den Knien reichte.
Winzige Tropfen stoben auf, funkelnd wie Kristalle im Sonnenlicht, als sie zu laufen begann. Dann blieb sie stehen, schloss die Augen und reckte das Gesicht zum Himmel und genoss ein paar Minuten lang einfach nur die Wärme der Sonne auf ihrer Haut und fühlte, wie die Brandungsströmung den Sand unter ihren Füßen wegspülte.
Die leichte Brise, die vom Meer her wehte und die sengende Tageshitze erträglich machte, fühlte sich an wie eine hauchzarte Umarmung, und für einen Moment gab Lena sich dem Wunschgedanken hin, dass Andy bei ihr wäre und sie in seinen Armen hielt.
Eine schöne Illusion. Ein Traum, der so niemals in Erfüllung gehen konnte, wie sie leider nur allzu genau wusste. Und das machte das Erwachen umso bitterer.
Blinzelnd schlug sie die Augen wieder auf. Geblendet vom hellen Sonnenlicht, glaubte sie ein Boot zu erkennen, das in einiger Entfernung vom Strand im Meer dümpelte.
„Nein, ich habe keine Ahnung, warum der Motor plötzlich zu stottern anfing“, beantwortete Stephen die Frage des Mannes am anderen Ende der Leitung hitzig. „Bin ich der Techniker oder Sie, Richard?“
Ihm war klar, dass er seinem Angestellten unrecht tat. Richard Mbeki war ein zuverlässiger Mann, der stets vollen Einsatz zeigte. Doch er musste mit den Mitteln zurechtkommen, die man ihm zur Verfügung stellte – und das war sicher nicht immer ganz einfach. Auf Sansibar brauchte man eine Menge Improvisationstalent, wenn man es als Reparatur- und Wartungsmechaniker zu etwas bringen wollte. Und Richard war der allerbeste. Anderenfalls hätte Stephen nicht mit ihm zusammengearbeitet.
Trotzdem ärgerte es ihn, dass die Elisabeth , eines der Motorboote, mit denen sie Delfintouren für Touristen veranstalteten, schon wieder Probleme machte.
Stephen selbst hatte das Boot vor etwas mehr als einem halben Jahr gekauft – überzeugt davon, eine gute Investition getätigt zu haben, denn das Geschäft mit den Delfintouren lief eigentlich immer. Wie sich herausstellte, hatte der alte Besitzer es jedoch nicht ohne Grund zu einem so günstigen Preis abgegeben. Die Elisabeth bereitete eigentlich ständig Schwierigkeiten. Mal klemmte das Ruder, dann sprang der Motor nicht an, stockte oder ging während der Fahrt einfach aus.
Was er außerdem nicht bedacht hatte, war, dass es sich bei einem relativ neuen Boot, noch dazu einem exotischen Fabrikat aus dem Ausland, ungemein schwer gestaltete, Ersatzteile zu beschaffen. Von daher galt Stephens Ärger vielmehr sich selbst als Richard, dessen Fähigkeiten er sehr schätzte. Und die Tatsache, dass er – allein, mitten auf dem Indischen Ozean – endgültig mit dem Boot liegen geblieben war, hob seine Laune nicht gerade.
Er hatte auf die Beschwerden seiner Mitarbeiter, die die Delfintouren für ihn durchführten, reagieren und selbst eine Probefahrt mit der Elisabeth machen wollen. Dummerweise hatte er nicht über die möglichen Konsequenzen nachgedacht, ehe er von der Anlegestelle aus aufgebrochen war.
Zunächst war auch alles glattgelaufen, doch dann, als er sich schon weit draußen auf dem Meer befand, hatte der Motor zu stocken begonnen, war schließlich ganz ausgegangen und ließ sich auch nicht durch gutes Zureden dazu bewegen, wieder anzuspringen.
Diese Suppe hatte er sich eindeutig selbst eingebrockt. Rachel hatte in solchen Situation immer gelacht und
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