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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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noch daran gedacht hatte. Die Farm, all die neuen Menschen und Eindrücke hatten sie vollkommen von ihrem eigentlichen Ziel abgelenkt. Und dafür schämte sie sich nun.
    „Einen Moment, ja?“ Sie rappelte sich hastig auf und klopfte sich den Staub von der Hose. „Ich bin gleich wieder da.“
    Sie eilte ins Haus und auf ihr Zimmer. Die Mappe mit den Recherchen und Aufzeichnungen, die Andy bereits zusammengetragen hatten, lag in ihrer Nachttischschublade. Seit ihrem Einzug auf der Farm hatte Lena sie nicht mehr angerührt.
    Beinahe zärtlich strich sie mit der Hand über den ledernen Einband. Erneut kamen ihr die Tränen, doch sie blinzelte sie zurück, nahm die Mappe aus dem Fach und klemmte sie sich unter den Arm. Liebevoll streichelte sie Krümel, der auf dem Sessel unter dem Fenster döste, über das weiche Fell und eilte zurück zu den anderen.
    Sie spürte deutlich die neugierigen Blicke, die auf ihr ruhten, als sie sich wieder im Kreis niederließ. „Das hier“, sagte sie und legte die Hände flach auf die Mappe, die auf ihrem Schoß lag, „sind die Unterlagen, die Andy für sein Buch gesammelt hat. Teilweise handelt es sich um Recherchen über die Vergangenheit der Gewürzfarm und deren Bewohner, manchmal sind es nur Stichpunkte und Erinnerungsfetzen von Andys Jugend hier auf der Insel.“
    „Was genau soll das eigentlich für ein Buch werden?“, fragte Ngabile. „Eine Biografie?“
    Das war eine Frage, über die Lena bereits lange nachgedacht hatte. Sonst war Andy immer sehr redselig gewesen, wenn es um seine Projekte ging. Alles, von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript, hatte er mit Lena geteilt. Doch bei diesem Buch hatte er sich ungewohnt geheimnisvoll gegeben, sowohl ihr als auch Patrick und dem Verlag gegenüber.
    Dass er nicht mit Patrick darüber hatte reden wollen, konnte Lena rückblickend gut verstehen. Sie waren die besten Freunde gewesen, doch wenn es ums Schreiben ging, dann war Patrick an erster Stelle eines: Literaturagent.
    Er hätte versucht, Andy dieses Projekt auszureden. So wie bei dem Krimi, den Andy hatte schreiben wollen.
    Seine Argumente waren dabei stets dieselben gewesen. „Du hast dir einen Namen als Kinder- und Jugendbuchautor geschaffen“, hatte er Andy eindringlich beschworen. „Deine Romane verkaufen sich so gut, dass du davon leben kannst. Die meisten Schriftsteller können davon nur träumen. Warum tust du also nicht einfach weiter das, worin du wirklich gut bist?“
    Und Andy hatte jedes Mal auf ihn gehört. Jedes Mal – bis er anfing, an diesem Buch zu arbeiten und Patricks sicher gut gemeinte Ratschläge einfach in den Wind schlug.
    „Es soll ein Roman werden“, antwortete sie schließlich, denn das war es, was sie Andys erstem groben Entwurf entnommen hatte. „Ein Roman mit biografischen Zügen, der die Geschichte eines Jungen erzählt, der auf Sansibar aufwächst und auf dem Dachboden des Hauses, in dem seine Familie lebt, eine Kiste mit alten Dokumenten, Briefen und Fotografien findet.“ Sie lächelte. „Ich denke, dass ich damit vermutlich am besten zurechtkommen werde. Im Gegensatz zu Andy bin ich nämlich keine besonders gute Schriftstellerin. Ich kann nur hoffen, dass mir die Informationen, die ich von Ihnen allen bekomme, dabei helfen werden, das Buch mit Leben zu füllen.“
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann meldete sich eine alte Frau mit weißdurchwirktem Haar und einer Haut, die wie gegerbtes Leder wirkte, zu Wort. Sie sprach Kiswahili, doch eine jüngere Frau, an deren Namen sich Lena nicht erinnern konnte, übersetzte für sie.
    „Mein Name ist Fathiya“, sagte sie und schenkte Lena ein fast zahnloses Lächeln. „Aaliyah und Ngabile sind meine Urenkelinnen. Ich bin auf dieser Farm geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht – ebenso wie vor mir meine Mutter und meine Großmutter. Wenn jemand Ihnen etwas über die Geschichte dieser Farm erzählen kann, dann bin ich das wohl.“
    Lena zückte Notizblock und Stift, bereit, alles festzuhalten, was sie von Fathiya erfahren würde. Doch schon bald ließ sie die Hand, in der sie den Kugelschreiber hielt, sinken und lauschte andächtig den Geschichten, die die alte Frau zu erzählen wusste.
    Geschichten über ein Sansibar, das unter der Herrschaft des Sultans von Oman stand und in dem der Handel mit Sklaven vom nahen Festland fast genauso blühte wie der Handel mit Gewürznelken. Geschichten von den Menschen, die nach Sansibar kamen; von Glücksrittern, die vom schnellen

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