Wo die Nelkenbaeume bluehen
entgegenzusetzen.
Still und dunkel lag das Farmhaus da. Vor ein paar Stunden war die neue Besitzerin der Plantage zurückgekehrt, kurz darauf waren auch die letzten Lichter ausgegangen. Die Arbeiter hatten sich schon vor Stunden in ihre Hütten zurückgezogen. Kein Wunder, schließlich ging für sie die Schufterei schon in ein paar Stunden wieder los. Das kannte auch der Mann, der sich jetzt dem Haus näherte, gut.
Er bewegte sich geschickt im Schatten der Bäume. Selbst wenn jemand aus dem Fenster geblickt hätte, wäre er wohl unentdeckt geblieben, obwohl der Mond hell schien. Doch sein Ziel war nicht das Haus selbst, sondern der Schuppen, der sich direkt dahinter befand.
Die Tür quietschte leise, als der Mann sie öffnete. Doch angesichts der Laute, die den Wald erfüllten, bestand kaum Gefahr, dass irgendjemand das Geräusch hörte. Trotzdem wartete er ein paar Sekunden und betrat die Hütte erst, als sich nichts gerührt hatte.
Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dann sah er im hinteren Bereich des Schuppens einige große Kanister. Er trat näher und öffnete den Schraubverschluss des ersten Kanisters. Er holte einen kleinen Glasbehälter aus der Innentasche seiner Jacke und schüttete den Inhalt hinein. Dasselbe wiederholte er mit jedem der gut einem halben Dutzend Behälter.
Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Sein Auftraggeber würde zufrieden mit ihm sein.
Er verließ den Schuppen und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Dann verschwand er wieder im nachtdunklen Wald.
11. KAPITEL
In der Nähe von Dodoma, Tanganjika, September 1887
Henriette schlug die Augen auf.
Sie war sicher, draußen vor dem Zelt ein Geräusch gehört zu haben. Wie erstarrt lag sie da und wagte kaum zu atmen. Angespannt lauschte sie in die Finsternis. Da war es wieder! Ein leises Schaben an der Seitenplane des Zelts, so als streifte etwas daran entlang.
Ein Tier?
Aus den Erzählungen von ihrem Führer Mboko – einem älteren Mann mit wettergegerbtem Gesicht und einem verkrüppelten Fuß, der ihn jedoch kaum beim Gehen behinderte – wusste sie von den namenlosen Gefahren, die hier draußen in der Savanne lauerten. Löwen, die einen ausgewachsenen Menschen mit einem einzigen Hieb ihrer mächtigen Pranken niederstrecken konnten, und Geparden, die so schnell liefen wie der Wind. Wilde Elefanten und Nashörner, Leoparden, Schakale und Hyänen. Mit einem erschrockenen Keuchen setzte sie sich auf, als sie hörte, dass sich etwas an der Vorderseite ihres Zeltes zu schaffen machte.
Henriette wollte ihren Vater wecken, als ihr einfiel, dass er seit seiner Genesung wieder in seinem eigenen Zelt schlief. Sie war allein. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Draußen riss die Wolkendecke auf, und im fahlen Schein des Mondes sah sie durch die dünnen Planen hindurch einen gewaltigen Schatten, direkt vor dem Zugang zu ihrem Zelt.
Der Stoff raschelte leise, als er vorsichtig zur Seite geschoben wurde.
Henriette stockte der Atem. Sie wollte schreien und um Hilfe rufen, doch kein Laut entkam ihrer Kehle. Vor Schreck war sie wie gelähmt.
Was ist los mit dir? Willst du einfach dasitzen und darauf warten, gefressen zu werden?
Mit zitternden Fingern tastete sie den Boden ringsum ab und packte den ersten Gegenstand, den sie zu fassen bekam. Die gusseiserne Kasserolle, die zu ihrer Reiseausrüstung gehörte, wog beruhigend schwer in ihrer Hand, auch wenn Henriette wusste, dass sie gegen einen Löwen oder Leoparden nicht viel damit würde ausrichten können.
Wie gebannt starrte sie zum Zelteingang, durch den nun ein dunkler Körper ins Innere des Zeltes drang. Henriette hob die Kasserolle, bereit, zuzuschlagen und ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen, da erkannte sie, dass sie kein wildes Tier vor sich hatte.
Erleichtert atmete sie auf und ließ ihre improvisierte Waffe sinken. „Um Himmels willen, was tust du hier?“
Der kleine Junge blickte erschrocken auf. Während sein Gesicht mit der Dunkelheit zu verschmelzen schien, wirkten seine Augen geradezu unwirklich hell.
Soweit Henriette es im Mondschein erkennen konnte, mochte er etwa sechs oder sieben Jahre alt sein. Bekleidet war er nur mit einem Lumpen, den er sich um die Hüften geschlungen hatte. Und er war so mager, dass es Henriette in der Seele schmerzte. Wann mochte dieses Kind zum letzten Mal eine anständige Mahlzeit bekommen haben?
Aus großen flehenden Augen blickte er sie an
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