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Wo die Nelkenbaeume bluehen

Wo die Nelkenbaeume bluehen

Titel: Wo die Nelkenbaeume bluehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Stevens
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kleiner Junge wie Vieh auf einem Sklavenmarkt verkauft wird“, begehrte sie auf. „Ich habe gesehen, wie diese Menschen behandelt werden, Papa! Wie kann Gott es zulassen, dass solche Dinge geschehen?“
    „Die Afrikaner fühlen nicht so wie du und ich, mein Kind“, versuchte ihr Vater sie zu beschwichtigen. „Es sind Wilde, für die Begriffe wie Liebe, Familie und Gottesfurcht nicht dasselbe bedeuten wie für dich oder mich.“
    Was Johannes Lüderitz da behauptete, erschien Henriette wie blanker Hohn. Wie konnte er dastehen und in Gegenwart von Mboko, dessen Familie in der letzten Generation vermutlich ebenfalls als Sklaven aus dem afrikanischen Hinterland verschleppt worden war, solche Dinge von sich geben?
    Sie hatte ihren Vater stets als gütigen, gottesfürchtigen Mann betrachtet, der sein Leben in den Dienst der Kirche gestellt hatte, um Gutes zu tun. Doch jetzt erkannte sie, was er wirklich war: ein Heuchler, der sich auf seine ganz spezielle Art und Weise ebenso menschenverachtend verhielt wie all jene Sklavenjäger und Mörder.
    In diesem Moment wurde Henriette klar, dass diese Erkenntnis ihr Leben für immer verändern würde. Wie sollte sie ihrem Vater jemals wieder in die Augen sehen, ohne Abscheu und Wut zu empfinden? Er war noch immer ihr Papa, und sie liebte ihn, so wie es eine Tochter nun einmal tat. Doch wenn er nichts unternehmen wollte, um den – wie er sie nannte – Gotteskindern zu helfen … Sie würde dieses Unrecht keinen Tag länger tatenlos mit ansehen.
    Noch in dieser Nacht packte sie ein kleines Bündel, in dem sie all ihre Habseligkeiten und ein paar Vorräte verstaute. Und nachdem ihr Vater und Mboko sich wieder zur Ruhe gelegt hatten, nahm sie den kleinen Jungen – sie glaubte inzwischen verstanden zu haben, dass sein Name Oweihu lautete – bei der Hand und schlich sich mit ihm davon.
    Sie wandten sich nach Osten, in Richtung Küste. Um nicht entdeckt zu werden, suchten sie tagsüber Unterschlupf und gingen nachts weiter. Sie mussten vorsichtig sein, denn die Sklavenjäger waren überall. Und eine junge Weiße, die mit einem kleinen schwarzen Jungen unterwegs war, fiel auf.
    Eines Morgens fanden sie Unterschlupf in einer kleinen Höhle, die, dem Geruch nach zu urteilen, früher einmal von einem Tier bewohnt worden war. Ganz wohl fühlte Henriette sich nicht dabei, sich hier zu verkriechen. Doch Oweihu war zu erschöpft, um weiterzugehen. Und ihr selbst erging es nicht viel anders. Sie lehnte sich mit dem Hinterkopf gegen den rauen Fels und schlief trotz der unbequemen Position beinahe sofort ein.
    Eine seltsame Vorahnung ließ sie aus dem Schlaf hochschrecken. Sie schlug die Augen auf – und spürte in derselben Sekunde, wie sich eine Klinge an ihre Kehle legte. Unwillkürlich versteifte sie sich.
    „Ganz ruhig“, flüsterte ihr eine raue Stimme ins Ohr. „Dann passiert dir auch nichts, Mädchen.“
    Henriette blinzelte überrascht – der Mann hatte Deutsch mit ihr gesprochen. Und im nächsten Moment erkannte sie auch die Stimme. „Mboko!“, stieß sie erstickt hervor. Tränen der Verzweiflung stiegen ihr in die Augen. „Was tust du? Wo ist mein Vater?“
    Weitere Männer drängten in die Höhle. Sie trugen Pechfackeln, deren Schein flackernde Schatten auf die nackten Felswände warf. Henriette sank das Herz, als sie die Leute des arabischen Sklavenjägers wieder erkannte.
    „Ich wusste sofort, dass der Bengel bei dir ist, als du in jener Nacht verschwunden bist.“ Mboko lachte leise. „Dein Vater, dieser leichtgläubige Narr, denkt, dass ich los bin, um dich zurückzuholen. Aber viel mehr als dich interessiert mich der Junge, der mir eine stattliche Belohnung einbringen wird.“
    Wie ein wildes Tier trieben die Männer Oweihu in die Enge. Als er mit dem Rücken zur Höhlenwand stand und seine Häscher immer näher kamen, lief er mit dem Mut der Verzweiflung los und versuchte, sich zwischen den nach ihm greifenden Händen hindurchzuwinden.
    Er schaffte es beinahe. Im letzten Moment packte ihn einer der Männer bei der Schulter und schleuderte in brutal zu Boden, wo der Junge regungslos liegen blieb.
    „Nein!“, schrie Henriette und wollte zu ihm laufen, doch die Klinge an ihrer Kehle hielt sie davon ab.
    Tränen strömten ihr über die Wangen. Hilflos musste sie zusehen, wie ein grobschlächtiger Kerl Oweihu wie ein Bündel über seine Schulter warf – dann zogen die Sklavenjäger ab.
    Mboko nahm das Messer von Henriettes Kehle, doch als sie losstürmen wollte, um

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