Wo die toten Kinder leben (German Edition)
dem sie beginnen, sich mit ihrer Krankheit im positiven Sinn auseinanderzusetzen. …Und ein Mensch, der so etwas tut, dem gelingt es auch leichter, seine Krankheit zu überwinden.“
„Das klingt überzeugend“, sagte ich.
„Ich bin zwar nur ein kleines unbedeutendes Rädchen in unserer Gemeinde, aber ich versuche, das wenige, das ich zu leisten vermag, gut zu machen.“
Satorius mischte sich ein. „Frau Dr. Hofmann ist wieder viel zu bescheiden. Sie ist ein ganz wichtiges Mitglied der Diözese. Nicht nur sämtliche hohen Würdenträger lassen sich von ihr behandeln, sondern sie kümmert sich auch vorbildlich um alle anderen Gemeindemitglieder, die den Weg zu ihr finden.“
„Als wir gestern zusammen hier waren, hat mich Paul schon auf das große Engagement von Frau Dr. Hofmann aufmerksam gemacht. Ich finde das wirklich bemerkenswert“, meinte ich.
„Aber das ist doch normal“, winkte die Ärztin ab. „Ich habe von Gott immer das bekommen, worum ich gebeten habe und dieses Geschenk möchte ich einfach weitergeben.“ Sie sah, wie sich bei ihren Worten etwas in meinem Gesicht veränderte. Ich fand das alles eine Spur zu aufgesetzt. Aber die Ärztin lächelte mich offen an. „Ich behandle auch Patienten, die der Religion – sagen wir einmal – kritisch gegenüberstehen. Für mich steht immer das Heil und das Wohl jedes Einzelnen im Mittelpunkt.“
Paul erhob sich. Er zitterte verhalten, aber er konnte alleine stehen. „Wir haben noch viel vor. Ich fürchte wir müssen uns verabschieden. Und am Sonntag wollen wir Sie auch nicht über Gebühr belasten.“
„Einen Moment noch, Herr Wagner“, meinte sie und überreichte ihm einen Plastikbeutel mit drei braunen Fläschchen.
„Was ist das?“, fragte er.
„Homöopatische Mittel. Sie nehmen jeweils fünfzehn Tropfen davon. Früh und abends. Das stärkt die Abwehrkräfte und unterstützt den Körper, sich selbst zu heilen. Das ist besser als jedes Antibiotikum.“
„Sie setzen auch auf Naturheilmethoden?“, fragte ich. „Das ist selten bei einer ausgebildeten Ärztin.“
„Selten, aber nicht ungewöhnlich. Ich nutze das, was meinen Patienten hilft. Und das bekommen sie von mir.“ Sie lächelte.
Wir begaben uns nach draußen, wobei Lorenzo hinter Satorius‘ Rollstuhl lief. Eine behindertengerechte Rampe war vorhanden.
„Schöne Skulpturen“, sagte ich noch und deutete auf die kunstvoll gestalteten Holzplastiken.
Frau Dr. Hofmann wurde ernst. „Finden Sie?“
„Nun, sie geben dem Grundstück etwas Geheimnisvolles. Mich würde interessieren, was der Künstler damit ausdrücken wollte.“
„Sie meinen: die Künstlerin “, entgegnete Frau Dr. Hofmann und so, wie sie das Wort Künstlerin betonte, blieb kein Raum für Zweifel, wen sie damit meinte. Weil es mir so vorkam, dass ihr dieser Punkt wichtig zu sein schien, fragte ich aus Höflichkeit dennoch nach. „Die sind von Ihnen?“
„Ja, die habe ich geschaffen. …Und wenn wir einmal mehr Zeit haben, werde ich Ihnen gerne erklären, was sie bedeuten.“
„Ah, da freue ich mich schon“, meinte ich und erwiderte das herzliche Lächeln, das auf Frau Dr. Hofmanns Gesicht erschienen war.
Wir verabschiedeten uns von ihr und ich war erstaunt, dass Paul mit zu meinem Golf ging. In der Zwischenzeit war Lorenzo Satorius dabei behilflich, vom Rollstuhl in ihren dunkelblauen Mercedes Van zu wechseln. Satorius winkte mir zum Abschied zu und dann warf Lorenzo die Tür hinter ihm ins Schloss. Nachdem er den Rollstuhl mithilfe einer Hebeanlage im Ladebereich verstaut hatte, setzte sich Lorenzo ans Steuer und der Wagen verließ unser Blickfeld.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Paul.
„ Wir ? So, wie du aussiehst, gehörst du ins Bett. Für mindestens eine Woche.“
„Hinlegen kann ich mich später. Ich würde jetzt sowieso keine Ruhe finden. …Und wenn du mir den Sitz im Auto etwas nach hinten kippst, bin ich sicher, dass ich durchhalte.“ Pauls gesamte Haltung signalisierte unnachgiebige Entschlossenheit.
Ich gab auf. „Verrückt genug bist du“, meinte ich, beugte mich in meinen Wagen und begann, die Rückenlehne des Beifahrersitzes zu verstellen.
„Du hast mir noch immer nicht gesagt, was wir jetzt machen“, hörte ich Paul hinter mir.
„Nun“, sagte ich über meine Schulter, während ich arbeitete. „Wir könnten noch einmal zu der Lagerhalle von gestern und uns umschauen. Aber ich denke nicht, dass wir dort etwas Brauchbares finden werden. Ich würde lieber zu der Pfarrei
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