Wo die Toten ruhen - Psychothriller
sehr zitterten ihr die Hände. Als an der Rezeption endlich abgehoben wurde, fragte sie: »Ähm, könnte ich bitte mit Leigh Jackson sprechen?«
»Mit wem?«
»Jackson. Leigh Jackson.«
»Hier wohnt niemand, der so heißt.«
»Große, blonde Frau. Bitte. Es ist wichtig.« Doch das war ein Fehler. Der Ton am anderen Ende der Leitung wurde misstrauisch.
»Es tut mir leid, wir geben telefonisch keine Informationen preis.«
»Aber … bitte …«
»Hier hat sich niemand unter diesem Namen eingetragen.« Die Verbindung war tot. Enttäuscht erzählte Kat Ray, was der Mann gesagt hatte. »Womöglich teilt er ihr nun mit, dass eine Frau nach ihr gefragt hat, und dann reist sie ab? Ich rufe ihn noch mal an und bitte ihn, ihr eine Nachricht zu hinterlassen …«
»Wem eine Nachricht zu hinterlassen?«, fragte Ray. »Irgendeiner großen, blonden Frau? Fahren wir hin und finden selbst raus, ob sie dort ist oder nicht.«
Kat meditierte eine halbe Stunde auf dem Teppich im Schlafzimmer. Danach war sie ruhiger, bereit, das zu akzeptieren, was sie finden würden. Sie packte ein paar Sachen zusammen, was kein Problem war, denn das meiste war in der Wäsche.
Dann fiel ihr ein, dass im Kühlschrank noch ein Salat liegen müsste, und als sie in die Küche ging, sah sie den Anrufbeantworter blinken.
Zak!
»Hallo. Freitag. Wir haben Freitag gesagt. Wo bist du, Kat? Ich habe gewartet. Wenn du so bist, bevor wir einander überhaupt richtig kennen gelernt haben … dann ruf mich nicht mehr an, Baby. Ich werde nicht zu Hause sein.« Sie griff nach dem Hörer und wählte seine Nummer. Der Anrufbeantworter.
Es kam ihr vor wie schlechtes Timing. Als wäre sie soeben mit dem Skateboard auf der Strandpromenade des Lebens direkt an Zak vorbeigeschossen. »Ich habe im Augenblick einfach keine Zeit für uns, Zak. Es tut mir leid.«
27
Ray kam vor Tagesanbruch, unrasiert. Er kramte, während sie im Bad war, in ihrer Wohnung herum, öffnete Schränke, zog Schubladen auf, genoss die Aussicht von ihrer Veranda, analysierte sie baulich. »Du musst dir ein paar Lampen besorgen«, sagte er, als sie aus dem Bad kam. »Die Deckenbeleuchtung ist schrecklich. Und die Betondecke muss natürlich auch verschwinden.«
»Hör auf«, meinte sie nur.
Ray, der in dem Augenblick darin vertieft war, den Inhalt ihres Bücherregals zu studieren, sagte: »Du magst es nicht, wenn ich mehr über dich herausfinde, nicht?«
»Diese Dinge sind nicht ich.«
»Du bist doch diejenige, die mir gesagt hat, wie viel man über die Menschen erfahren kann, wenn man sich ihr Zuhause anschaut. Ich sehe was, was du nicht siehst. Deine dunkle Seite. Bei dir finden sich keine Porno-DVDs, nein, du hast ein sehr viel peinlicheres Hobby. Du liest.« Er zog ein Buch aus dem Regal. »Hemingway?«
Sie lächelte, weil er sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen hatte. »Ist gut, Ray. Ich erzähle dir von Hemingway und warum ich dieses Buch mit Kurzgeschichten besitze. Er hat alles, was ihn berühmt gemacht hat, von Gertrude Stein abgekupfert. Glaubst du etwa, dieser prägnante, vordergründig einfache Stil sei seine Erfindung gewesen?«
»Darüber können wir uns ein andermal ausführlich unterhalten.« Er stellte das Buch weg und zog ein anderes heraus. »Woolf?«
»Langweilig, aber unglaublich schön.«
Er stellte das Buch an die Stelle zurück, wo es gestanden
hatte, und wandte sich dann zu ihr um. »Ich dachte, Männer und Bars …«
»Die auch, klar, manchmal. Schließlich sind nicht alle Männer so herablassend wie du.«
»Bin ich das? Herablassend?«
Kat lächelte. »Ernst und unbedarft, das bist du die meiste Zeit. Aber du scheinst dir Mühe zu geben, das muss ich dir lassen.«
Kat zog ihren Trolley zur Haustür, während Ray am Fenster stand und die Aussicht auf einen kleinen Ausschnitt des Pazifiks bewunderte. »Du sitzt abends hier und siehst dir den Sonnenuntergang an. Hier«, sagte er und trat durch die Schiebetür hinaus. Auf dem Balkon suchte er die Stelle, von wo er das Meer am besten sehen konnte. »Du siehst, wie der Tag zu Ende geht.«
»Ja, das tue ich«, sagte sie. »Und jetzt genug von der Katkennen-lern-Nummer. Ich bin fertig.«
Er trug ihr Gepäck die Treppe hinunter. Kat trank rasch einen Schluck Kaffee aus ihrer Thermoskanne und unterdrückte ein Lachen. Sie warf einen letzten Blick auf ihr Wohnzimmer, betrachtete es mit den Augen einer Fremden. Die Wohnung war weder trendig noch außergewöhnlich noch besonders schick. Sie war vollgestopft
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