Wo die Toten ruhen - Psychothriller
gerne gereist, und sie mag Sancerre und hohe Absätze, und es geht mich nichts an. Wenn sie meine Nachricht bekommt, wird sie mich, falls sie Lust dazu hat, anrufen. Oder auch nicht. Vielleicht hat sie einen anderen Tom aufgerissen. Hat Ray Jackson verlassen, und er wahrt sein Gesicht, indem er eine kleine Geschichte erzählt. Wer will es ihm verübeln? Ich traue ihr alle Schlechtigkeiten der Welt zu.«
»Soll das ein Witz sein? Du willst die Sache so auf sich beruhen lassen?«
»Wie, so?«
»Mir gefällt das nicht. Frauen mögen ja ihre Männer verlassen, aber sie lassen niemals einfach so ihr Geschäft im Stich, das sie über Jahre aufgebaut haben. Der Ehemann macht Ausflüchte.« Sie kniff den Mund zusammen, während sie sich eine Meinung bildete. »Hm, hmm. Da stimmt was nicht.«
»Du glaubst, es ist ihr etwas passiert? Du bist diejenige, die hier eine Therapie braucht!«
»Denk doch mal nach.«
»Du kannst einen wirklich auf die Palme bringen, Jacki.«
»Das bist du dir schuldig. Und Leigh, deiner besten Freundin. Erzähl Raoul nicht, dass ich solche abergläubischen Anwandlungen habe.«
»Als wüsste er das nicht längst.«
»Aber das ist alles aus einem bestimmten Grund passiert: dass ich auf diesen Zeitungsausschnitt gestoßen bin. Dass ich mir Sorgen mache, du bist zu einsam. Und dann mein Traum. Du sollst sie suchen, wenn auch nur, um dich zu vergewissern, dass sie vor einer hässlichen Szene zu Hause geflohen ist. Du bist womöglich die Einzige, die Nachforschungen anstellt.«
Jacki setzte sich auf, schob sich die Hand in den Rücken, um ihn zu stützen, und verzog das Gesicht. »Und?«, fragte sie.
Kat kam fröstelnd zu dem Schluss, dass Jacki Recht hatte.
Der Tonfall ihres Sohnes, als er anrief und ihr sagte, er würde gerne vorbeikommen, hatte Esmé nervös gemacht, und so beschloss sie, einen gestürzten Ananaskuchen zu backen, den er als Kind immer so gern gegessen hatte. Sie hatte Zeit, sich etwas eher Kompliziertem zu widmen.
Leigh mochte ihren Ananaskuchen nicht. Esmé mochte gar nicht daran denken, was Ray alles durchmachte, und alles nur wegen dieser Frau. Nun, sie hatte versucht, ihn zu warnen, was das Herz betraf und dass eine Ehe Probleme und Schmerzen bedeuten konnte. Kummer. Sie musste es wissen.
Während sie Butter mit braunem Zucker verrührte, dachte sie darüber nach. Sie fettete eine runde 23-Zentimeter-Kuchenform ein und bestäubte sie mit Mehl. Eine Mutter, die ein Kind aufzog, kochte Tausende von langweiligen Mahlzeiten, bereitete Tausende von Makkaroniaufläufen, Burritos und Hamburgern zu. Esmé hatte nie besonders viel Spaß an dieser Kocherei gehabt, die eine rechte Plackerei war, wenn man den ganzen Tag an der Kasse saß und die langweiligen Einkäufe anderer Menschen abkassierte. Rays Vater Henry hatte lieber Fastfood gegessen als das, was sie gekocht hatte. Wie hatte sie nur auf die Idee kommen können, so einen Mann zu heiraten?
So einen Mann. Sie rührte Butter und Zucker so lange, bis die Mischung flockig wurde, dann fügte sie ein Ei nach dem anderen hinzu und rührte mit mehr Elan als nötig. Sie sah Henry vor sich und dachte über die Wege und Umwege des Lebens nach. Sie versuchte, sein Bild, das plötzlich vor ihrem geistigen Auge schwebte, zu verscheuchen, und gab Vanille und abwechselnd Mehl und Milch in den Teig, ohne ihn zu ruinieren, indem
sie zu fest rührte, bis er die glatte, glänzende Konsistenz hatte, die bedeutete, dass er genau richtig war. Sie nahm ein langes Messer aus dem Messerblock und stellte eine Ananas auf ein Schneidebrett, schälte sie zuerst und schnitt sie dann in ordentliche, gut einen Zentimeter dicke Scheiben.
Während des Schneidens stellte sie fest, dass das Messer geschliffen werden musste. Sie schob es durch einen 25-Zentimeter-Diamantmesserschärfer, bis die Haut, wenn sie die Schneide mit dem Finger berührte, nicht mehr nachgab, sondern zerriss.
Kein Blut, zum Glück.
Gut, jetzt hatte es wieder die richtige Schärfe.
Die Ananasscheiben bildeten eine hübsche Schicht aus Kreisen, und sie füllte die Lücken mit Stücken, die sie in einem Muster anordnete, dann goss sie den Teig vorsichtig darüber, schob die Kuchenform in den Ofen, stellte die Backzeit ein und schloss die Ofentür.
Sie kochte sich einen Kaffee und wollte ein wenig aufräumen, bevor Ray kam, setzte sich dann jedoch in den einzigen wirklich bequemen Sessel im Wohnzimmer und las sich in einem Artikel über das Spaceshuttle fest.
Es klingelte an
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