Wo die Toten ruhen - Psychothriller
anonymen Vororten von Los Angeles
versteckt, weil Esmés geliebte Mutter in einem Pflegeheim in Montebello war.
In der Zwischenzeit hatte irgendein Scheißkerl seiner Mutter nachgestellt. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, dann hatte Esmé auch stets diesen Eindruck vermittelt. Sie bewahrte kaum Fotos aus seiner Kindheit auf, erzählte keine fröhlichen Geschichten und hielt bei dem Thema Männer stets den Mund, wahrscheinlich, um Rays Gefühle zu schonen.
Ein Liebhaber, jemand, mit dem sie ausgegangen war, nachdem Rays Vater sie verlassen hatte? Nach seinem Tod, als Ray gerade mal zwei Jahre alt war? Ray schämte sich. Er dachte voller Mitgefühl an Esmé, die viele Jahre lang unter großem Stress gelebt haben musste. Er würde sie so weit bringen, ihm ihre Geschichte anzuvertrauen, und dann würden sie beide sie ein für alle Mal vergessen. Genau wie die Modelle. Und das Bedürfnis, in die Häuser einzusteigen.
Er setzte sich vor sein Zeichenbrett. Er würde über Leigh und über der Vergangenheit nicht seine Arbeit verlieren. An dem Museumsentwurf mussten noch einige Änderungen vorgenommen werden. Dann würde er Antoniou eine Villa entwerfen, die direkt in Architectural Digest oder - zum Teufel - sogar in Granta landen würde. Er würde den ganzen Scheißkerlen zeigen, was wahre Originalität war.
10
Am Abend war Ray unten, um Blaupausen zu prüfen, während die Kassette ein Loch in seine Werkbank brannte. Er hörte ein Klopfen an der Tür und schaute auf den großen LCD-Bildschirm in der Ecke des Kellers, der den Eingangsbereich zeigte.
Zwei uniformierte Polizeibeamte standen da draußen, steif, bepackt mit Funksprechgeräten, Pistolenhalftern, Klemmbrettern und Gott weiß was noch. Hinter ihnen sah er einen Polizeiwagen mit rotierendem rotem Licht.
Auf dem Weg zur Haustür durchzuckte ihn heiße Angst wie Blitze und machte seine Beine so schwer, dass sie ihm bei jedem Schritt wehtaten. Vielleicht träumten alle von diesem Augenblick, dem Augenblick, in dem das Spiel aus war. Litt nicht jeder unter irgendwelchen schuldbeladenen Geheimnissen und unter der Angst, erwischt zu werden? Hatten sie mit den Kindern gesprochen und ihn irgendwie als den Eindringling identifiziert? Oder hatte es etwas mit Leigh zu tun?
Ray schüttelte den Kopf und wünschte sich, das Chaos in seinem Hirn würde sich so weit lichten, dass er den Weg den Flur hinunter sehen konnte, durch die Tür und darüber hinaus in die Zukunft. »Was gibt’s?«, fragte er die beiden Männer.
»Raymond Jackson?«
»Ja.«
»Sie arbeiten bei Wiltshire Associates?«
»Ja, ich bin einer der beiden Partner.« Er bat sie um ihre Ausweise, die sie ihm bereitwillig zeigten: Walter Rappaport, Police Lieutenant, Raubüberfälle, Mord, ein großer Mann mit Säcken unter den Augen, blumig wie Brokkoli, und einer argwöhnischen Haltung, und Rick Buzas, Polizeibeamter , Geländeausbildung, faltenlos und selbstgefällig.
»Hübsches Haus«, sagte Officer Buzas, der jünger und kleiner war und einen halben Schritt hinter dem Lieutenant stand. Seine frische Haut schimmerte im Licht der Veranda. »Großartig. Ich wette, Sie haben’ne tolle Aussicht.« Durch die milde, mondlose Nacht schaute er sich den Garten an und schnupperte an dem Jasmin neben der Treppe.
»Was kann ich für Sie tun?«
Der Größere ergriff das Wort. »Können wir hereinkommen? Wir haben ein paar Fragen.«
Ray schloss die Haustür hinter sich und trat hinaus, um sich näher mit ihnen zu befassen. »Nein. Tut mir leid.« Ray wollte sie nicht in seinem Haus. Er wollte sie auch nicht auf seiner Veranda. Er erinnerte sich an eine nicht unwesentliche Tatsache: Die Polizei hatte nicht die Pflicht, die Wahrheit zu sagen, während sie versuchte, die Wahrheit herauszufinden. Was für eine verdrehte Welt. Er musste sehr vorsichtig sein. Er wollte nicht, dass sie sich noch mehr für seine Angelegenheiten interessierten, als sie es ohnehin schon taten. »Also, könnten Sie mir jetzt bitte sagen, warum Sie hier sind?«
»Sie kennen einen Mann namens James Hubbel? Hilfssheriff im County Los Angeles.«
»Mr. Hubbel ist mein Schwiegervater.«
»Er macht sich Sorgen um seine Tochter. Er hat sich mit meinem Sergeant in Verbindung gesetzt. Ich dachte, ich schau’ mal vorbei und vergewissere mich, dass es ihr gut geht. Ist sie da?«
»Nein.«
»Nein? Wo ist Ihre Frau, Mr. Jackson?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Das können Sie uns nicht sagen? Und warum nicht?«
»Ich weiß nicht, wo
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