Wo die Toten ruhen - Psychothriller
sie ist. Sie hat mich verlassen. Sie hat nicht gesagt, wohin sie geht. Hat Mr. Hubbel Beschwerde gegen mich erhoben? Gibt es eine Vermisstenanzeige?«
Rappaports große Ohren bewegten sich vor und zurück wie die eines Hundes.
»Wann?«, fragte er.
»Vor inzwischen fünf Tagen.«
»Dann sind Sie sicher ganz schön sauer wegen des Ganzen, was?«, fragte Officer Buzas.
Ray starrte ihn an. Rappaport hustete und warf ihm einen fast entschuldigenden Blick zu, als wäre ihm Buzas’ grobe Art peinlich.
Hätten sie einen Durchsuchungsbeschluss gehabt, hätten sie ihn längst zur Seite geschoben und wären schon dabei, sein Haus auf den Kopf zu stellen. Ergo war dies nur ein Sondierungsbesuch. Der erste, abgesehen von dem inoffiziellen durch Leighs Vater, und nicht gänzlich unerwartet.
»Ich verstehe Mr. Hubbels Besorgnis«, sagte er, »und ich wünschte, meine Frau würde ihre Familie anrufen und ihr sagen, dass es ihr gut geht. Aber kommt es nicht häufig vor, dass Eheleute sich trennen? Oder dass einer von zu Hause auszieht? Dass er dem anderen nicht sagt, wohin er geht, um sein Leben wieder in den Griff zu kriegen oder was auch immer? Ich meine, sie ist eine erwachsene Frau. Sie kann gehen, wohin sie will, oder?« Er konnte nicht verhindern, dass sich Angst in seine Stimme schlich.
»Wo könnte sie hin sein?«, fragte Rappaport.
Die eigentliche Frage, wegen der sie gekommen waren. Ray kratzte sich mit einem scharfen Fingernagel neben dem Mund. »Keine Ahnung.«
»Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«, fragte Buzas.
»Am späten Freitagabend, wie ich bereits sagte. Wir hatten einige schmerzliche Dinge zu besprechen. Sie …«, er dachte an jene Nacht zurück und musste mit seinen Gefühlen kämpfen, »… ist ausgezogen. Sie hat mir nicht gesagt, wo sie hingehen wollte.«
»Um wie viel Uhr war das?« Erst jetzt fiel Ray auf, dass Officer Buzas sich Notizen machte.
»Gegen neun. Ich weiß nicht. Vielleicht auch zehn.«
»Was hat sie mitgenommen?«
Er überlegte. »Eine geblümte Reisetasche, die sie immer nimmt, wenn sie über Nacht wegbleibt. Die hatte sie wohl schon gepackt. Ein bisschen Schmuck, wie mir später auffiel. Unterwäsche, nehme ich an. Im Bad fehlen einige Toilettenartikel.«
»Ich hätte versucht, sie daran zu hindern«, sagte Officer Buzas und schaute seinen Partner an.
Ray schwieg.
»Worum ging es in dem Streit?«, fragte Rappaport.
»Ich habe nicht gesagt, dass wir uns gestritten haben.«
»Okay. Was für schmerzliche Dinge hatten Sie zu besprechen?«
»Es ging natürlich um Probleme in unserer Ehe.«
»Haben Sie ein Verhältnis, Mr. Jackson?«
»Nein, nein.«
»Was ist mit ihr?«
»Nicht dass ich wüsste. Wir waren nur … ich habe schwer gearbeitet, und sie war sauer.«
»Was haben Sie getan, um Kontakt zu ihr aufzunehmen?«
»Nichts. Denn ich gehe davon aus, dass sie ein paar Tage allein sein möchte, um sich zu beruhigen.«
»Sie hat sich seit drei Tagen nicht in ihrer Firma gemeldet«, sagte Rappaport. »Mr. Jackson, möchten Sie, dass wir Ihre Frau suchen? Denn wenn dem so ist, dann verhalten Sie sich äußerst seltsam.«
»Überprüfen Sie mich. Ich bin noch nie verhaftet worden, habe mir nie irgendetwas zuschulden kommen lassen. Ich bin weder auf Drogen noch Alkoholiker. Ich bin bloß ein Mann, der von seiner Frau verlassen wurde.«
»Nach einem gewalttätigen Streit.«
»Ich habe nicht behauptet, wir wären gewalttätig gewesen.«
»Wie lange hat dieser Streit gedauert? Streiten Sie sich oft?«
»Es war kein Streit! Es war nur …« Er hielt mit offenem Mund inne und fragte dann: »Also, gibt es eine Vermisstenmeldung?«
»Wie schon gesagt, wir wollen uns nur vergewissern, dass es ihr gut geht.«
»Rein informell, weil ihr Vater Polizist ist. Ich verstehe.« Rein informell, weil es noch nicht euer Fall ist, dachte Ray.
»Sie könnten eine Vermisstenanzeige aufgeben. Der Vater, nun, er weiß, dass sie erwachsen ist, es sind schon einige Tage, und er macht sich Sorgen, doch allein aufgrund dessen können wir keine Ermittlungen aufnehmen. Aber wenn Sie aufs Revier nach Topanga kommen und sagen, Ihre Frau ist verschwunden, dann suchen wir sie für Sie.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich das will. Sie sagte, sie würde mich verlassen, und ist gegangen. Sie möchte im Augenblick nicht mit mir reden; so viel ist klar.«
»Wollen Sie sie wiederhaben?«, fragte Officer Buzas. Ray gefiel es nicht, wie er am Türrahmen lehnte und dreinschaute, als würde
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