Wo die Toten ruhen - Psychothriller
er Ray kein Wort von dem glauben, was er sagte.
»Ich liebe sie, falls Sie darauf hinauswollen«, sagte Ray. »Und ich hoffe, wenn sie zurückkommt, können wir uns um unsere Probleme kümmern. Ich habe Angst, sie suchen und hierher zurückschleifen zu lassen, wenn es nicht das ist, was sie im Augenblick will. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Sie möchten nicht mal, dass wir uns davon überzeugen, dass es ihr gut geht?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe bloß nicht das Gefühl, dass ich im Augenblick helfen kann, aber wenn sie noch lange wegbleibt, werde ich mich bestimmt an Sie wenden.«
»Deputy Hubbel glaubt nicht, dass seine Tochter aus freien
Stücken weggehen und ihre Mutter nicht ein einziges Mal anrufen würde.«
»Es sind erst fünf Tage, meine Herren.« Ray war sehr müde. Er wollte kooperativ sein, doch was sollte er ihnen sagen? Dass sie sich wegen Martin gestritten hatten? Würde sie das nicht noch misstrauischer machen?
Plötzlich ging ihm die ganze Ungeheuerlichkeit seiner Situation auf. Es war, als wäre er in einen dunklen Brunnen gestürzt worden, und es wäre niemand dort, nur er allein, das tiefe kalte Wasser und glatte schwarze Wände, die er niemals hinaufklettern konnte. Diese Männer waren nicht hier, um ein kleines Frage-und-Antwort-Spiel zu spielen. Sie hatten ihn in Verdacht, seiner Frau etwas angetan zu haben.
»Wir würden gerne hereinkommen und uns ein wenig im Haus umschauen. Sie haben doch nichts zu verbergen, oder? Und es könnte uns helfen, Leigh ausfindig zu machen.«
»Nein«, sagte Ray.
Der jüngere Polizist schien kurz davor zu sein, Ray mit der Schulter zur Seite zu stoßen und das Haus zu betreten, doch Detective Rappaport legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Und Sie haben wirklich keine Ahnung, wohin Ihre Frau gegangen sein könnte?«, fragte er. Er machte Ray verrückt mit diesen wiederholten Fragen, doch Ray wagte es nicht, die beiden wegzuschicken. Er konnte das monotone Rauschen der Funkgeräte hören und die flache Stimme der Einsatzzentrale aus dem Inneren ihres Wagens. Das rote Licht schien wie eine kleine Sonne, die das Interesse der Nachbarn auf sich ziehen musste.
Ohne nachzudenken, antwortete Ray das Erste, was ihm in den Sinn kam und einigermaßen unverdächtig klang. »Sie hatte nicht viele gute Freunde. Vielleicht bei meiner Mutter?« Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, ging Ray auf, was für einen
Schnitzer er da gemacht hatte. Er hatte völlig unnötigerweise Esmé mit hineingezogen. »Leigh hatte am Morgen erwähnt, sie habe mit meiner Mutter telefoniert, und als sie weg war und wir beide ein wenig Zeit hatten, uns zu beruhigen, dachte ich, sie wäre vielleicht zu ihr. Also bin ich zu meiner Mutter gefahren, nur für den Fall, dass sie eventuell dort wäre.« Eine Lüge zog rasch die nächste nach sich.
»Aber Ihre Frau war nicht dort?«
»Sie war nie dort gewesen. Ich blieb, aß etwas, und als ich nach Hause kam, ging ich zu Bett. Leigh kam nicht nach Hause und ist seither auch nicht nach Hause gekommen.«
Als sie ihn danach fragten, gab er ihnen Esmés Adresse und sagte, er werde sie später anrufen und ihnen ihre Telefonnummer geben. Er hatte sie nicht bei sich. Sie konnten diese Information wahrscheinlich binnen Minuten herausfinden, obwohl die Nummer nicht im Telefonbuch stand. Warum sollte er nicht so tun, als kooperierte er, während er sie in Wirklichkeit behinderte? Er musste sie ein wenig bremsen. Er musste zuerst mit Esmé sprechen.
Und das war den beiden genauso klar wie ihm.
»Sie wissen die Telefonnummer Ihrer eigenen Mutter nicht?«
»Nicht auswendig.« Er glaubte sich selbst nicht. »Schauen Sie. Schreiben Sie das ins Protokoll. Ich habe meiner Frau nichts getan, Punkt«, sagte Ray. »Ich war bitter enttäuscht, wie es in unserer Ehe lief, okay? Das gebe ich zu. Und jetzt muss ich. Guten Abend.« Ray ging ins Haus und schloss die Tür. Es kostete ihn alle Kraft, das zu tun, und er erwartete jeden Augenblick, dass eine Hand vorschoss und die Tür aufriss.
Ray beobachtete die Polizisten auf seinem Monitor. Sie unterhielten sich. Schließlich stiegen sie in ihren lauten, glänzenden Polizeiwagen und fuhren davon. Er sank zu Boden und
regte sich eine Minute lang nicht. Dann brüllte er, schrie, warf sich alles vor, was ihm einfiel.
Dann rief er Esmé an. »Mom, zwei Polizeibeamte sind gerade hier weg.«
»Was? Warum?«
»Jim Hubbel hat sie gebeten, nach Leigh zu schauen.«
»O nein. Die Polizei. Das ist ja
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