Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Seine Arbeit endete nie. Zum ersten Mal seit langer Zeit - seit er sein eigenes Haus gebaut hatte - tat er bei einem Entwurf genau das, was er wollte.
Und das alles nur, weil er sich gesagt hatte: Zum Teufel damit.
Obwohl es auch in die Hose gehen konnte. Es war unmöglich, das jetzt schon zu sagen, wo sie noch in der Phantasiephase des Antoniou-Projekts steckten. Seltsam, dass der Mensch einer Krise bedurfte, damit ihm alles egal wurde und er eine der besten Arbeiten aller Zeiten schaffen konnte.
Arbeit war ein Gegenmittel gegen Angst. Bei der Arbeit konnte man alles vergessen. Er rollte die großen Ausdrucke auf seinem Kirschholztisch aus und dachte: Keine Fehler.
Am Nachmittag moderierte er eine schwierige Sitzung. Vier
Mitarbeiter - alle jünger als Ray, die meisten zwischen Mitte und Ende zwanzig, drei Männer und eine Frau - saßen misstrauisch mit ihm am Konferenztisch. Die Nachricht von seinem Streit mit Martin hatte offensichtlich die Runde gemacht und allgemeine Bestürzung verursacht. Sicher hatte Suzanne sie mit allen grässlichen Einzelheiten ergötzt. Sie mussten sich fragen, ob die Partner sich trennen würden.
Und wer sollte ihrer Meinung nach den Sieg davontragen?
Ein schwieriges Ausbalancieren der Talente war notwendig, um aus einem Architekturbüro wie dem ihren einen Erfolg zu machen: auf der einen Seite Martin, der Verkäufer mit den Buchhaltern Hal und Gray, die die Leute erst dann bezahlten, wenn sie sie anflehten, echte Tränen vergossen oder mit einer Klage drohten; und auf der anderen Seite Ray zum Ausgleich und der überkandidelte Haufen empfindlicher Künstlertypen.
Die Geldtypen verachteten die Künstler wegen ihrer leichtfertigen Gleichgültigkeit den finanziellen Realitäten gegenüber. Und die Architekten und Künstler hassten die Geldtypen, nicht so sehr, weil sie sie zwangen, sich ans Budget zu halten, sondern sie empfanden Verachtung für ihr Interesse an solchen Dingen. Doch sie brauchten einander, und das war das Problem.
»Das Museumsprojekt läuft gut«, verkündete Ray. Er fand, dass der bernsteinfarbene Sonnenschein an diese Menschen, die sich in dem Konferenzraum mit den gerahmten Schwarzweißfotos fertig gestellter Projekte an den weißen Wänden versammelten, vergeudet war. Nachdem Ray mehrere Jahre auf der Grade School in New Haven verbracht hatte, war ihm aufgefallen, dass die Menschen in L. A. dieselben negativen Stimmungen hatten - selbstmordgefährdet, wütend, frustriert - wie Menschen in kälteren Klimazonen, wenn auch, wie er fand, nicht so oft. Er führte es auf das Wetter zurück.
Heute jedoch spiegelten die verdrossenen Gesichter seiner Mitarbeiter nicht den freundlichen Sommernachmittag wider. Sie wollten wissen, ob sie ihre Jobs behalten würden. Ray versicherte es ihnen.
Martin betrat den Raum zwanzig Minuten zu spät. Seine blutunterlaufenen Augen standen im Widerspruch zu seinem herzlichen Lächeln. Er hatte sich wahrscheinlich in der Trattoria nebenan Mut angetrunken. Er sah jedoch gut aus, weinrotes Frackhemd, schwarze Hose, schwarze Krawatte, schwarze Nikes. Auf Suzannes Gesicht breitete sich das vertraute rosa Glühen aus. Ray dämmerte, dass Suzanne wahrscheinlich ebenfalls auf diesen Scheißkerl hereingefallen war, und das riss ihn aus seiner Pseudoruhe.
»Schönen guten Tag alle miteinander«, sagte Martin. »Was habe ich versäumt?«, fragte er, ohne Ray anzuschauen.
»Hey«, antworteten sie, plötzlich weniger trübsinnig. Martin hatte eine positive Ausstrahlung.
»Wir reden über die zukünftige Richtung der Firma«, sagte Ray. »Setz dich.«
»Was für eine gute Idee, Ray. Ich glaube, ich setze mich.«
Aufgeblasenes Arschloch. »Fassen wir uns kurz. Wir haben alle viel zu tun. Martin?«
Ohren wurden gespitzt, Kaffeetassen klappernd auf den Tisch gestellt.
»Wie Sie alle wissen, möchte Achilles Antoniou, der Hauptstifter für das Museumsprojekt, sich auch ein Traumhaus in Laguna bauen«, sagte Martin. »Er hat drei Morgen Land mit Meeresblick und keine Ahnung, was er damit anfangen soll. Nach viel Kleinarbeit meinerseits hat er einer Reihe von Vorentwürfen zugestimmt, an denen Ray und Denise, soweit ich weiß, arbeiten. Am Mittwoch, also morgen, haben wir einen Termin mit ihm, und ich bin sehr optimistisch. Ich habe ihm
gesagt, dass Ray ein Genie ist und alle anderen hier auch. Ich denke, was Ray angeht, hat er mir geglaubt. Er hatte einige Artikel gelesen … wie auch immer, falls Denise und Ray Hilfe brauchen, geben Sie ihnen
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