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Wo die verlorenen Seelen wohnen

Wo die verlorenen Seelen wohnen

Titel: Wo die verlorenen Seelen wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dermot Bolger
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Bergen.«
    »Wir sind kein richtiger Club, auch wenn wir ein Codewort haben«, sagte Geraldine. »Wir haben einfach nur Spaß zusammen, aber da kann nicht irgendjemand daherkommen und gleich mitmachen.«
    »Ich bin nicht irgendjemand. Ihr könntet mir bei meiner Geheimmission helfen.«
    »Wie?«
    »Schwört ihr, dass ihr niemandem was erzählt?«, fragte Thomas.
    Geraldine wollte entgegnen, das könne und wolle sie nicht schwören, aber bevor sie den Mund aufmachen konnte, hatte Shane schon genickt.
    »Dein Geheimnis ist bei uns sicher, Thomas.«
    Thomas schaute Geraldine an, bis auch sie widerwillig nickte.
    »Eure Aufgabe ist leicht«, sagte Thomas. »Meine Aufgabe ist viel schwerer. Eure Mission ist, niemandem zu erzählen, was ihr heute hier erlebt habt. Vergesst, dass ich existiere. DiesesHaus ist mein Heiligtum. Ich muss etwas tun, das ich nur ganz allein tun kann. Etwas, das ich viel zu lang vor mir hergeschoben habe. Ihr braucht nicht hierher zurückzukehren. Keinesfalls aber will ich, dass noch jemand anders mich hier aufstört. Deshalb erzählt bitte keiner Menschenseele, dass ich hier bin. Das Schicksal hat mich zum Sterben noch einmal nach Blackrock zurückgeführt. Meine Mission ist es, hier unter demselben Dach, unter dem ich geboren wurde, mein Leben auch zu beenden.« Thomas McCormack langte zum Radioapparat, um die Jazzmusik lauter zu stellen. Er schaute in das glatte Gesicht von Shane O’Driscoll. »Ich will hier einsam sterben, unbemerkt und von niemandem betrauert.«

S ECHZEHNTES K APITEL
    J OEY
    N OVEMBER 2009
    I ch lief hastig am Kai entlang, um Shane einzuholen. »Wo zum Teufel willst du hin?«, fragte ich.
    »Zu einem Konzert.«
    »Jetzt? Ist das dein Ernst?«
    »Ich meine alles ernst.«
    »Ich muss unbedingt den letzten Zug erwischen, Shane. Meine Mutter wird …«
    Shane hielt neben einem der geparkten Autos am Straßenrand an. Das Fenster auf der Fahrerseite war zertrümmert und jemand hatte den CD -Player herausgerissen. Er langte durch die zerbrochene Fensterscheibe, um den Knopf zu ziehen, der die Türen entriegelte. Dann schlüpfte er auf den Fahrersitz und machte mir ungeduldig ein Zeichen, dass ich die Beifahrertür öffnen sollte.
    »Was machst du da, Shane?«, zischte ich.
    »Ich bring dich stilvoll zu deinem Konzert.«
    »Ich will nach Hause.«
    »Ich bring dich dann auch nach Hause, keine Sorge. Jetzt steig ein. Wir fallen schon auf.«
    Es stimmte. Sämtliche Autos, die vorbeifuhren, richteten ihre gleißenden Scheinwerfer auf mich, während ich neben dergeöffneten Tür stand. Widerwillig setzte ich mich neben ihn. »Kannst du überhaupt fahren, Shane?«
    »Das Schwierigste daran ist, den Wagen zu starten. Deswegen braucht man dazu eine so alte Karre wie die hier, ohne elektronische Zentralverriegelung.« Er zog unter dem Armaturenbrett mehrere Drähte hervor und verband sie miteinander. Der Motor heulte auf. »Und das Zweitschwierigste ist natürlich, so ein verdammtes Auto einzuparken.«
    »Lass mich raus, Shane!«
    Aber es war zu spät. Shane scherte unvermittelt auf die Fahrbahn aus, was den Fahrer hinter uns zu einem wilden Hupen veranlasste. Dann bog er scharf rechts ab, überfuhr an der nächsten Brücke eine rote Ampel und überquerte wieder den Fluss. Wir kurvten durch ein Gewirr von Seitenstraßen, die mit Abfällen von den verlassenen Markthallen übersät waren.
    »Du fährst wie eine gesengte Sau, Shane! Halt sofort an.«
    »Mach ich … gleich. Keine Bange.«
    Wieder eine scharfe Biegung nach rechts und wir bretterten in der falschen Richtung durch eine Einbahnstraße, die zur Capel Street zurückführte. Wegen des Unfalls an der Brücke stauten sich dort immer noch die Autos. Shane trat nicht auf die Bremse, obwohl es kaum eine Lücke gab, durch die wir uns auf die andere Seite hindurchzwängen konnten. Aber er schaffte es. Wir rasten durch eine weitere Seitenstraße und kamen gerade an dem Musikladen mit der blauen Gitarre im Schaufenster vorbei, als er heftig auf die Bremse trat. Ich drehte mich zitternd, aber erleichtert zu ihm. Endlich standen wir wieder. Wenn Shane ein Stück zurückfuhr, konnte er das Auto direkt vor dem Musikgeschäft parken. Shane blickte mich an.
    »Ich wette, dir ist die Gitarre aufgefallen, als wir dran vorbeigegangen sind.«
    »Ja, sie ist wunderschön«, sagte ich. »Jetzt stell das Auto ab.«
    Erst in diesem Augenblick begriff ich, was Shane vorhatte. Er fuhr rückwärts in die Lücke zwischen den parkenden Autos, aber er machte

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