Wo die Wahrheit ruht
“Heute Morgen habe ich ihn gebeten, sich ein paar Ohrringe anzuschauen, die ich gemacht habe, um mir zu sagen, ob sie ihm gefallen.”
“Hat er sie auch anprobiert?”
Denise lachte. “Nein, du Witzbold, aber er hätte es getan, wenn ich ihn darum gebeten hätte. So ist er nun mal. Und da wir gerade von Ohrringen sprechen, hier ist mein Laden.”
Vor einem Geschäft, das den zur Auslage passenden, verspielten Namen “Baubles” trug, blieben sie stehen. Denise öffnete die Tür. Als Grace über die Schwelle trat, fand sie sich in einem hellen, farbenfrohen Raum wieder, der bis ins kleinste Detail die Persönlichkeit seiner Besitzerin widerspiegelte. Zwei Vitrinen präsentierten eine große Kollektion von Perlenketten, Ringen, Armbändern und Ohrringen in allen erdenklichen Formen und Farben. An kleinen Ständern auf den Ladentischen drängten sich dicht an dicht gepackt meterweise Silber- und Goldkettchen.
Grace wanderte umher und bewunderte Denise' Arbeiten. “Du besitzt großes Talent”, staunte Grace, während sie eine Halskette mit einem Citrin-Tropfen-Anhänger in die Hand nahm. “Und dein Angebot ist sehr vielfältig. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.”
“Danke. Ich mag meine Arbeit sehr. Sie lenkt mich ab, besonders jetzt, da Fred … weg ist.”
Grace schlenderte weiter an den Vitrinen entlang und betrachtete das filigrane Kunsthandwerk. “Wo hast du das gelernt?”
“Der Laden gehörte früher einer Freundin von mir. Nachdem ich mit der Schule fertig war, bot sie mir einen Job als Verkäuferin an. Über die Jahre habe ich viel von ihr gelernt, und irgendwie waren wir wie Schwestern. Selbst nach der Hochzeit mit Fred habe ich hier weitergearbeitet, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Eines Tages dann hat Alice verkündet, dass sie den Laden verkaufen und in den Norden des Staates New York ziehen wolle. Sie hoffte, ich würde ihr ein Angebot machen, aber ich wollte Fred auf keinen Fall um so viel Geld bitten. Eine Woche später drückte mir Fred dann die Schlüssel einfach in die Hand. Und als er mir sagte, dass der Laden jetzt mir gehört, dachte ich, ich falle in Ohnmacht.”
“Scheint mir, als hätte er eine gute Investition gemacht.”
“Bitte bedien dich.” Denise kam zu ihr hinüber. “Such dir etwas aus, als Willkommensgeschenk von mir.”
“Das ist sehr nett von dir, Denise, aber das kann ich nicht annehmen.”
“Ich bestehe darauf.” Sie nahm die Citrin-Halskette aus der Vitrine und hielt sie Grace vor den Hals. “Die würde ausgezeichnet zu deinen haselnussbraunen Augen passen. Es sei denn, du ziehst etwas anderes vor. Das Korallenarmband vielleicht? Ich habe gesehen, wie du es dir eben angeschaut hast.”
Sobald sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war mit dieser Frau nicht mehr zu handeln. “Verschenkst du deine Schmuckstücke immer, oder verkaufst du sie auch?”
“Ich schenke nur dir etwas, weil ich dich mag. Also?” Sie hielt abwechselnd die Halskette und das Armband in die Höhe. “Was gefällt dir besser?”
“Die Kette, vielen Dank.”
“Gern geschehen.” Denise kehrte hinter die Ladentheke zurück und wickelte die Halskette in weißes Seidenpapier. “Die kannst du heute Abend tragen.”
“Ich habe zwar nichts vor, werde sie aber trotzdem gerne tragen.”
“Und ob du etwas vorhast. Lucy brennt darauf, dich kennenzulernen, und da habe ich mir gedacht, ich koche uns etwas Leckeres zu Abend. Isst du gern Italienisch?”
Grace lachte. “Machst du Witze? Dafür sterbe ich.”
“Dann kannst du dich glücklich schätzen, denn ich mache die beste Lasagne außerhalb von Napoli.” Sie steckte einen Deckel auf die schmale Schachtel und überreichte sie Grace mit einer schwungvollen Geste. “Sieben Uhr. Unser Haus liegt an der Bridge Street, nur ein paar Blocks von der Galerie entfernt. Du kannst es nicht verfehlen. Es ist das blaue Haus im Kolonialstil mit der amerikanischen Flagge im Vorgarten. Bring Hunger mit.”
9. KAPITEL
D uke Ridgeway musste mittlerweile an die achtzig Jahre alt sein, aber trotz seines fortgeschrittenen Alters wirkte er fit wie eh und je. Nach Pat's Kneipe war “New Hope Hardware” der Laden, der am besten besucht war, und Duke führte ihn schon seit mehr als vierzig Jahren wie eine gut geölte Maschine. In Bucks County geboren und aufgewachsen, war er ein respektierter Geschäftsmann und ein unparteiisches, unbestechliches Mitglied des Planungsausschusses.
“Na, wenn das nicht der kleine Matty ist”, sagte
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