Wo die Wahrheit ruht
Wort werde ich sagen.” Ein Kunde betrat den Laden, und Matt streckte Duke seine Hand entgegen. “Vielen Dank, Duke. Ich werde meinen Vater von dir grüßen.”
“Tu das. Und rede auf jeden Fall mit Buzz. Kann sein, dass er nicht sehr gesprächig ist. Die Trauer um Alma sitzt immer noch zu tief, aber einen Versuch ist es wert.”
D as 1893, von Everett J. Anderson, einem reichen Fabrikanten, gegründete Anderson College war ein privates Institut mit einem breiten Studienangebot. Der gute Ruf, den die Kunstfakultät genoss, war ausschlaggebend dafür gewesen, dass Lucy sich an dem College ihrer Heimatstadt eingeschrieben hatte. Der weitläufige, an der Route 202 gelegene Campus war inzwischen von mehr als eintausend Studenten unterschiedlichster Herkunft bevölkert.
Die Parkplatzsuche entpuppte sich zunehmend als eine wahre Herausforderung. Doch das Glück war Matt hold, als in der Nähe des Haupteingangs zwei Studenten in einen Nissan sprangen und rasant ausparkten. Mit verschränkten Armen gegen den Durango gelehnt, wartete Matt vor der Tür, als plötzlich eine Woge Jeans tragender junger Frauen lachend aus dem Hauptgebäude schwappte. Da sie einander zum Verwechseln ähnlich sahen, fiel es ihm schwer, seine Schwester in der Menge auszumachen. Die Mädchen trugen nahezu identische Outfits, was ihre Unterscheidung nicht gerade einfacher machte.
Endlich erspähte er Lucy. Ihre blonden Locken wippten im Rhythmus ihrer Schritte. Doch obwohl sie sich bemühte, beim aufgedrehten Geschnatter ihrer Freundinnen mitzuhalten, wirkte sie stiller und ernster als die anderen. Matt spürte sein Herz klopfen. Da sie erst zur Welt gekommen war, als Matt schon das College besuchte, hatte sie als Nesthäkchen einen besonderen Platz im Herzen ihrer Eltern eingenommen. Insbesondere Fred hatte sein kleines Mädchen immer vergöttert. Und seit dem Tod ihrer Mutter vor zehn Jahren war ihr Verhältnis noch enger geworden.
“Luce!”
Als sie den vertrauten Spitznamen hörte, hob Lucy den Kopf und strahlte über das ganze Gesicht. Als wären ihre Sorgen mit einem Mal weggewischt, kam sie auf Matt zugerannt und stürzte in seine Arme. “Oh, Matty, ich bin so froh, dich zu sehen.”
Er fing sie auf, drückte sie samt ihrer Bücher an seine Brust und hielt sie einen Moment fest umschlungen. “Ich bin genauso froh, dich zu sehen, Goldlöckchen. Lass dich anschauen.”
Matt hielt sie mit ausgestrecktem Arm von sich und musterte sie von Kopf bis Fuß. Ihre Schönheit hatte sie von ihrer verstorbenen Mutter geerbt – seidiges, fast schon weißblondes Haar, helle Haut, große blaue Augen und einen kleinen Mund, der wie geschaffen war zum Lachen.
“Gut schaust du aus, Schwesterchen.”
“Du aber auch.”
Wie um der Bemerkung Nachdruck zu verleihen, rückten zwei von Lucys Freundinnen näher und gesellten sich zu ihr. Ginny Peruso, schon seit dem Kindergarten Lucys beste Freundin, strich sich über ihr braunes Haar, während Barb, eine umwerfend gut aussehende Blondine, sich in Pose warf. “Hi, Matt”, sagten sie wie aus einem Mund.
Mit seinen einundvierzig Jahren kam sich Matt auf einmal schrecklich alt vor. Er legte den Arm um seine Schwester. “Ladies.”
“Bleibst du länger in der Stadt?” Barb war schon immer ein frühreifes Mädchen gewesen, doch ihr koketter Augenaufschlag und der sexy Tonfall waren neu. Matt rief sich in Erinnerung, dass er keine kleinen Mädchen oder linkischen Teenager mehr vor sich hatte. Fast über Nacht waren sie zu Frauen geworden. Lucy ebenfalls.
“Das weiß ich noch nicht.”
Als ob sie spürte, dass ihr Bruder Beistand brauchte, packte Lucy seinen Arm. “Okay, Mädels, genug geflirtet für heute. Ginny, ich komme nach dem Abendessen vorbei.” Ohne eine Antwort abzuwarten, ignorierte sie die enttäuschten Gesichter der Mädchen und deutete auf den Jeep. “Ist das deiner?”
“Richtig getippt.”
Sie erklomm den Beifahrersitz und wartete, bis Matt hinter dem Steuer Platz genommen hatte, bevor sie ihn foppte: “Mich hier abzuholen, bedeutet ein großes Risiko für dich. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätten dir die Kleider vom Leib gerissen.”
Matt fuhr rückwärts aus der Parklücke heraus. “Neunzehnjährige Mädchen?”
“Ein ganzer Schwarm heißblütiger Frauen”, korrigierte sie ihren Bruder. “Es passiert selten, dass sich ein so attraktiver Kerl wie du in diese heiligen Hallen verläuft.”
“Ich bin mehr als doppelt so alt wie sie.”
“Das macht es ja
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