Wo die Wahrheit ruht
abgesessen, sich eine neue Identität verschafft und eine völlig neue Karriere begonnen, nicht als Fälscher, sondern als Mittelsmann. Seinen kleinen Handel mit gefälschten Gemälden hat Lorry über mehrere Jahre betrieben. Er hat sorgfältig darauf geachtet, keine Geschäfte mit großen Galerien oder Auktionshäusern zu machen, die möglicherweise einen Kunstexperten beschäftigten. Stattdessen hat er akribisch nach Händlern wie Steven gesucht, deren Kunstverstand zwar dazu ausreicht, eine Galerie zu führen, aber nicht dazu, eine gute Fälschung mit bloßem Auge erkennen zu können.”
Grace fühlte sich unwillkürlich erleichtert. “Also hat Steven nicht gewusst, dass er mit Fälschungen handelte?”
“Er hatte keinen blassen Schimmer. Lorry ist auch ein Experte, was die Fälschung von Dokumenten angeht. Er hat Steven Herkunftsnachweise präsentiert, und Steven hat keine weiteren Auskünfte eingeholt.”
“Wer ist der Fälscher?”
“Es gibt mehrere, die in diesem Moment gerade allesamt verhaftet werden. Der Spezialist für die Kunst des amerikanischen Westens ist ein begabter Maler, den Lorry vor einigen Jahren in New Mexiko kennengelernt hat. Er heißt Eric Rossmann. Zu der Zeit, als sie sich trafen, verdiente er sein Geld mehr recht als schlecht mit Reproduktionen von Künstlern, die er bewunderte. Eduardo Arroyo war nur einer davon. Lorry erkannte das Potenzial des Mannes und überredete ihn, nach Pennsylvania zu ziehen, ein Schritt, von dem beide profitierten.”
“Wurde er nie entlarvt?”
“Wie gesagt, Lorry ist sehr vorsichtig vorgegangen. Sie, Grace, waren ein Störfaktor, mit dem er nicht gerechnet hatte. Als er erfuhr, dass Sie, eine renommierte Museumskuratorin mit Kontakten zu Gemäldegutachtern, den Galeriebetrieb übernehmen würden, wollte er das Risiko nicht eingehen, das Gemälde in ihrer Obhut zu lassen. Sie hätten es ja als Fälschung entlarven können!”
Matt nahm einen Schluck aus seinem Glas. “Er hatte offensichtlich kaum damit gerechnet, auf einen so unerschrockenen und wehrhaften Gegner zu treffen.” Er lächelte. “Er kann noch immer nicht schmerzfrei sitzen.”
“Mein Mitleid hält sich in Grenzen.” Grace spielte mit ihrem Stück Brot. “Da bleibt nur noch ein kleines ungelöstes Rätsel.”
“Welches?”
“Stevens Buchhaltung zufolge haben er und Lorry mehr als zwei Jahre lang Geschäfte gemacht. Steven verkaufte mehrere Gemälde für Lorry, von ganz unterschiedlichen Künstlern.”
“Richtig.”
“Alle Verkäufe sind genau dokumentiert worden. Die Provisionen, die Steven dabei eingestrichen hat, ergeben keine viertel Million Dollar, die ich im Cottage gefunden habe. Bei Weitem nicht.”
“Ich habe Lorry nach dem Geld gefragt. Er bestreitet kategorisch, erpresst worden zu sein. Wen auch immer Steven erpresst haben mag, er läuft weiter unbehelligt da draußen herum. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, und dieser Jemand der Mörder ist, dürfte er mittlerweile auf ziemlich heißen Kohlen sitzen.”
“Da ist er nicht der Einzige. Ich habe einen Küchenschrank voller Geld, das keiner haben will …” Ein plötzlicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf. “Es sei denn, Sarah kann es dazu verwenden, die wütenden, betrogenen Kunden zu entschädigen.”
Matt schüttelte den Kopf. “Das geht leider nicht. Wenn das Geld aus einer Erpressung stammt, einer schweren Straftat, muss der komplette Betrag der Polizei ausgehändigt werden, die ihn dann an das Erpressungsopfer zurückgibt. Weil das Geld nicht rechtmäßig erworben wurde, kann es auch nicht in den Nachlass des Erpressers fließen. Haben Sie Montgomery von dem Geld erzählt?”
Sie nickte. “Er hat gesagt, wenn jemand zu Hause Bargeld versteckt, heißt das nicht automatisch, dass es illegal erworbenes Geld sei. Solange er nicht weiß, woher es stammt, kann er es nicht beschlagnahmen. Ebenso wenig, wie den Revolver, denn Steven hat einen gültigen Waffenschein dafür besessen.”
“Verstecken sie das Geld trotzdem lieber in einem Schließfach”, empfahl Matt. “Dann schlafen Sie besser. Falls sich doch noch herausstellen sollte, dass das Geld Steven rechtmäßig gehört hat, können Sie es Sarah immer noch übergeben.”
“Dann muss sie Stevens Kunden wohl vorerst aus eigener Tasche entschädigen.”
“Nur wenn sie es will.” Er senkte die Speisekarte. “Anders als viele glauben, ist eine Erbschaft ein Geschenk und frei von Forderungen und Verpflichtungen. Die Sammler können
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