Wo die Wahrheit ruht
zwar vor Gericht ziehen und auf Entschädigung aus dem Nachlass klagen, falls andere Werte wie Grundbesitz, Bankkonten, Aktien und Wertpapiere etc. vorhanden sind. Die Person, die letztendlich die Galerie erbt, könnte sich dazu bereit erklären, den Geschädigten Geld zu zahlen, aber sie ist dazu rechtlich nicht verpflichtet. Die Geste wäre rein freiwillig, vielleicht um den guten Namen der Galerie zu schützen.”
“Also liegt die Entscheidung bei Sarah allein?”
“Nur bei ihr allein.”
Ein Teil des Rätsels war also gelöst, aber das hatte sie bei der Suche nach Stevens Mörder keinen Schritt weitergebracht. Das musste sie sich eingestehen. Sie schaute Matt an, der sein Leben auf Eis gelegt hatte, um seinem Vater zu helfen, und versuchte sich seine Frustration vorzustellen. “Ich wünschte, es hätte sich anders herausgestellt”, sagte sie. “Um ihretwillen und Ihres Vaters willen.”
“Danke, Grace, aber ich werde mich noch nicht geschlagen geben: Jetzt erst recht nicht!”
“Gibt es neue Erkenntnisse?”
“Könnte man sagen. An Bernies Wagen wurden dunkelgrüne Lackspuren gefunden. Fast jede Delle an der Fahrerseite trägt Spuren davon.”
“Dann wollte ihn also tatsächlich jemand umbringen!”, flüsterte sie.
“Sieht ganz danach aus.”
“Aber warum nur?”
“Möchten Sie meine Theorie hören?”
Sie lächelte. “Eine weitere?”
Statt auf ihren Seitenhieb einzugehen, streckte er seine Arme aus und ergriff ihre Hände. “Sie wird Ihnen nicht gefallen.”
Sie blickte auf seine starken Hände, die die ihren sanft umfassten. “Das kann ich mir denken. Schießen Sie trotzdem los.”
“Die Entscheidung, Bernie umzubringen, könnte in dem Augenblick gefallen sein, als Sie ihn eingeladen haben, ins Cottage zu kommen. Jemand, vielleicht Stevens Mörder, hat von dem bevorstehenden Besuch erfahren und versucht, ihn davon abzuhalten.”
“Es fällt mir schwer, das zu glauben. Wie könnte denn ein einfacher Besuch von einem völlig harmlosen Mann wie Bernie eine Bedrohung für jemanden darstellen?”
“Weil Bernie möglicherweise etwas über den Mord an Steven weiß. Keine Ahnung, was oder woher, aber Tatsache ist, dass Steven und Bernie grundverschieden waren …”
“Wollen Sie damit sagen, dass die Freundschaft zwischen Steven und Bernie nicht echt war?”
Matt ließ ihre Hände wieder los. “Auch wenn ich riskiere, dass mich meine Schwester wieder für zynisch hält – nein, ich denke sie war nicht echt. Möglicherweise hat sie sich im Laufe der Zeit zu einer echten Freundschaft entwickelt, aber ursprünglich, denke ich, hat Steven aus einem ganz bestimmten Grund Kontakt zu Bernie gesucht.”
“Und welcher Grund wäre das?”
“Das weiß ich nicht. Noch nicht.”
“Gesetzt den Fall, Sie hätten recht. Woher hätte der Mörder wissen sollen, dass Bernie mich an diesem Abend besuchen wollte? Ich habe es niemandem erzählt, außer Denise. Was Bernie anbelangt, kann ich mir nicht vorstellen, wem er es hätte erzählen sollen.”
“Vielleicht ist er beschattet worden. Oder sein Telefon wurde abgehört.”
“Jetzt reden Sie wie ein Agent.”
Er zuckte die Achseln. “Ich sagte doch, es ist eine bloße Theorie.”
“Schreckliche Vorstellung, dass Steven Bernie nur benutzt haben könnte. Er und ich hatten gestern Abend Gelegenheit, uns zu unterhalten, während er darauf wartete, dass ihn seine Schwester abholt. Steven war sein Held. Ich will mir gar nicht ausmalen, was es in ihm anrichtet, wenn er erfährt, dass sein Freund ein Betrüger war.”
Matt lächelte. “Sie mögen Bernie, nicht wahr?”
“Sehr sogar.”
Der Kellner kehrte zurück, um ihre Bestellung aufzunehmen. Grace bemerkte auf einmal, wie ausgehungert sie war, und überflog die Speisekarte. “Ich denke, als Vorspeise nehme ich die Ziegenkäse-Quiche”, sagte sie. “Und den marinierten Spargel.”
“Gerne. Soll denn die zweite Vorspeise den Hauptgang ersetzen?”
“Nein. Als Hauptgang hätte ich gerne die geschmorten Rippchen. Könnte ich dazu eine Portion Kartoffelpüree bekommen?”
“Statt der grünen Bohnen?”
“Zusätzlich.”
Der Kellner notierte alles auf seinem Block. “Wie Sie wünschen.”
“Zum Püree noch Soße.”
Sie hörte, wie Matt leise lachte. “Ich hatte heute keinen Lunch”, erklärte sie. “Frühstück auch nicht.”
Matt schien sich köstlich zu amüsieren. “Und Sie essen sich richtig satt, ich weiß.” Er bestellte einen einfachen Salat und den gebratenen
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