Wo die Wahrheit ruht
gearbeitet und dabei völlig die Zeit vergessen. Als ich aufschaute, sah ich, dass es schon nach sieben war. Ich bin sicher, wenn du dich umhörst, werden einige der anderen Ladenbesitzer das bestätigen.”
“Da beginnt jedoch mein Problem, Denise. Jay Dunn und Gloria Saunders erinnern sich nicht daran, dich in deinem Geschäft gesehen zu haben, als sie gingen. Sie sind sich nicht einmal sicher, ob das Licht noch brannte.”
“Kann ich was dafür, wenn die beiden so vergesslich sind?”, fragte sie, in die Defensive gedrängt. “Macht mich das gleich zur Mörderin?”
“Nein.”
“Aber deshalb bist du hier, nicht wahr? Um mir diesen Mord anzuhängen.”
“Ich versuche niemandem einen Mord
anzuhängen
, Denise. Ich versuche nur die Wahrheit herauszufinden. Und das gelingt mir nur, wenn ich ehrliche Antworten bekomme.”
“Ich habe Steven nicht umgebracht. Ist dir das ehrlich genug?”
Matt wartete eine Sekunde, bevor er die nächste Frage stellte. “Du und Steven, habt ihr euch gut verstanden?”
Sie lachte. “Das ist bei Leuten, die miteinander ins Bett gehen, meistens der Fall.”
“Jede Beziehung hat ihre Höhen und Tiefen, und wir wissen beide, dass Steven jedem Rock hinterher sah.”
“Wir haben uns bestens verstanden. Das kann ich dir versichern.” Ihr Tonfall wurde schärfer.
“Habt ihr euch nie gestritten? Haben dir seine kleinen Eskapaden nichts ausgemacht?”
“Er hatte keine kleinen Eskapaden.”
“Da habe ich aber etwas anderes gehört.”
“Es war eine Affäre, Matt, nichts weiter. Eine dumme Affäre. Ich wusste, auf was ich mich einlasse.”
“Und es hat dich nicht gestört?”
“Nicht, solange er nur schaute. Männer sind nun mal so. Keine Frau wird das je ändern können.”
Eine Tür fiel laut ins Schloss. “Matt, bist du das?”
Nur Sekunden später trat Lucy ins Zimmer. Als sie ihn sah, rannte sie auf ihn zu und umarmte ihn freudig. “Ich wusste nicht, dass du kommen wolltest. Hast du deine Meinung geändert? Wirst du bei uns wohnen?”
“Nein, Luce.” Plötzlich fühlte er sich unbehaglich. “Ich dachte, du hättest eine Vormittagsvorlesung”, sagte er, um das Thema zu wechseln.
“Die fällt heute aus.” Ihr untrüglicher sechster Sinn, der ihm schon immer unheimlich vorgekommen war, schaltete sich ein. “Was ist hier los?”, fragte sie und ließ ihren Blick zwischen Matt und Denise hin und her schweifen.
“Dein Bruder ist einfach vorbeigekommen, um Hallo zu sagen”, stand Denise ihm bei. “Ist das nicht nett?” Sie lachte. “Zwischen uns ist also noch nicht alles verloren.”
“Keine Chance.” Lucy schüttelte den Kopf. “Das nehme ich euch nicht ab!” Sie ließ ihre Bücher auf den Tisch fallen. “Was ist der wahre Grund für dein Kommen, Matt?”
“Ich mache nur meinen Job, Lucy.”
“Indem du Denise
verhörst
?”
Wieder versuchte Denise zu beschwichtigen. “Lucy, bitte …”
Lucy schnitt ihr das Wort ab. “Nein, ich erlaube nicht, dass er das mit dir macht. Dafür gibt es keinen Grund. Lass sie in Ruhe, hast du verstanden, Matt?”
Denise legte ihren Arm um Lucys Schultern. “Ich habe nichts dagegen, Schätzchen. Ich habe nichts zu verbergen.”
Matt war versucht, ihr Glauben zu schenken – wäre da nicht Lucy gewesen. Dieser schnelle, ängstliche Blick, den sie ihrer Stiefmutter zuwarf, weckte Matts Verdacht.
Zwischen den beiden ging etwas vor.
Denise tätschelte sanft Lucys Schulter. “Ich fürchte, du hast deine kleine Schwester aus der Fassung gebracht, Matt. Können wir unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen?”
Was blieb ihm anderes übrig? “Sicher.” Seinen Blick auf Lucy geheftet, stand er auf. Zorn funkelte in ihren Augen. “Sehen wir uns zum Lunch?”, fragte er.
Sie mied seinen Blick. “Mal sehen …!”
“Na gut.” Er ging zu ihr hinüber und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Im ersten Moment rechnete er schon damit, dass sie zurückweichen würde, doch sie tat es nicht. Andererseits erwiderte sie den Kuss aber auch nicht. “Tschüss, Luce.” Über den blonden Schopf hinweg blickte er Denise an. In ihren Augen standen Tränen.
“Ich finde den Weg nach draußen”, sagte er.
23. KAPITEL
D a Grace sich Sorgen darum machte, dass Sarah die Nachricht des Tages vom Polizeichef persönlich erfahren würde, und die alte Dame vor den Übertreibungen des diensteifrigen Josh Nader bewahren wollte, rief sie Sarah am nächsten Morgen selbst an, um sie schonend auf alles vorbereiten zu
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