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Wo die Wahrheit ruht

Wo die Wahrheit ruht

Titel: Wo die Wahrheit ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Heggan
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können.
    Weit kam sie nicht. Bei dem Wort
Fälschung
reagierte Sarah sofort ungehalten.
    “Du liebe Güte, Grace”, sagte sie in vorwurfsvollem Ton. “Wie können Sie nur so ruhig und sachlich bleiben? Das ist kein triviales Vergehen, das man einfach beiseite wischen kann. Das ist ein schweres Verbrechen.”
    Grace biss sich auf die Lippen, bevor sie antwortete. “Man hat mich genauestens über den Straftatbestand und seine Konsequenzen informiert, Sarah. Und wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte, dass ich die Sache auf die leichte Schulter nehme, entschuldige ich mich dafür. Mir ist der Ernst der Situation durchaus bewusst. Doch wie ich eben bereits erklärt habe, dürften Entschädigungszahlungen an Stevens Kunden die Probleme entschärfen. Die Entscheidung darüber liegt ganz allein bei Ihnen. Die Frage lautet also, was möchten Sie tun?”
    Es blieb eine ganze Weile still in der Leitung. Als Sarah wieder ansetzte, klang ihre eben noch so verärgerte Stimme schon viel versöhnlicher. “Was würden
Sie
denn tun?”
    Nicht zu glauben. Die Frau ließ also doch mit sich reden. “Ich, an Ihrer Stelle”, erwiderte Grace, “würde jeden einzelnen Kunden persönlich anrufen, ihm den Sachverhalt erklären und ihm eine Entschädigung anbieten.”
    “Das ist alles?”
    Reichtum brachte
wirklich
Vorteile mit sich. “Es wird Sie eine ganze Stange Geld kosten, aber ja, damit sollte die Sache dann erledigt sein.”
    “Was wird aus der Galerie?”
    “Um einen Freund von mir zu zitieren – sie wird überleben. Diebstähle und Fälschungen sind im Kunstgeschäft an der Tagesordnung.”
    “Es ist so peinlich. Wie soll ich das nur meinen …”
    “Ich habe die Adressen aller sieben Kunden recherchiert”, fuhr Grace fort, entschlossen, sich nicht unterbrechen zu lassen. “Ich kann die Anrufe gerne für Sie übernehmen. Es sei denn, Sie ziehen es vor, lieber selbst mit ihnen zu sprechen.”
    “Um Himmels willen nein. Ich wüsste gar nicht, was ich sagen sollte. Sind Sie absolut sicher, dass Steven nicht selbst in die Betrügereien verwickelt war?”
    “Steven war genauso sehr ein Opfer wie die betrogenen Sammler.” Sie brachte es nicht übers Herz, ihr von dem Geld zu berichten, das sie gefunden hatte – und aus welcher Quelle es womöglich stammte. Sarah sollte sich im Moment nicht auch noch mit Vermutungen belasten.
    Sie hörte ein leises Seufzen am anderen Ende der Leitung. “Also gut, dann tun sie, was Sie tun müssen, und lassen Sie mich wissen, was ich schuldig bin.”
    “Es wird einige Tage dauern. Ich melde mich wieder bei Ihnen.”
    Grace hängte ein und nahm sich die Namensliste vor, die Victor Lorry erstellt hatte. In den folgenden zwei Stunden gelang es ihr, Kontakt zu vier der sieben Kunden aufzunehmen, sich bei ihnen zu entschuldigen und ihnen zu versichern, dass sie restlos entschädigt würden. Zwei von ihnen hatten die Nachricht ziemlich gefasst aufgenommen, bei den beiden anderen war mehr diplomatisches Geschick und gutes Zureden nötig gewesen. Doch durch ihre jahrelange Erfahrung im Umgang mit aufbrausenden Museumsdirektoren geschult, wusste Grace genau, wie sie einen wütenden Kunden versöhnlich stimmen konnte.
    Während sie weiter ihre Liste abarbeitete, schauten einige Leute, meist andere Geschäftsinhaber aus der unmittelbaren Nachbarschaft, vorbei, um ihr ein paar nette Worte zu sagen, wofür Grace dankbar war. Eine Außenseiterin zu sein war schon schlimm genug, aber nur zweiundsiebzig Stunden nach ihrer Ankunft in der Stadt im Zentrum eines Skandals zu stehen – das war mehr als deprimierend.
    Gegen Mittag rief Denise an und lud sie zu einem Lunch in ihren Laden ein. Froh über die wohlverdiente Pause nahm Grace die Einladung an.
    “Was möchtest du?”, fragte Denise, als Grace mit zwei großen Bechern Kaffee das Geschäft betrat. “Mortadella und Provolone auf Pumpernickel? Oder lieber einen Weizen-Bagel mit Putenbrust und Schweizer Käse?”
    Grace stellte den Kaffee auf dem Tisch ab. “Du verwöhnst mich. Wie soll ich mich denn je wieder an Boston und
meine
Kochkünste gewöhnen, nachdem ich eine ganze Woche lang diese Köstlichkeiten geschlemmt habe?” Sie deutete auf eines der ausgepackten Sandwiches. “Mortadella und Provolone klingt wunderbar.”
    Zögernd reichte Denise es ihr hinüber. “Wieder an Boston gewöhnen? Wovon redest du?”
    Oje.
Sie hatte die Wahrheit eigentlich noch einige Zeit für sich behalten wollen – jetzt war es heraus, und irgendwie fühlte

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