Wo die Wasser sich finden australien2
kleinen Apartments: »Das hat Bec schon öfter gemacht.«
Rebecca war schon immer ein temperamentvolles Mädchen, aber nach der Trennung war sie nicht mehr zu bändigen gewesen. Mehr als einmal hatte Mrs Snell, die Internatsdirektorin, um sechs Uhr morgens angerufen, um sich in ihrem näselnden, super-britischen Tonfall zu beschweren.
»Saunders? Dr. Frankie Saunders? Ihre Tochter ist vergangene Nacht ernoit aus dem Internat entwichen. Inzwischen ist sie jedoch wieder bei uns. Wir können dieses Verhalten nicht dulden, wie Sie verstehen. Wir werden geeignete Disziplinarmaßnahmen ergreifen müssen. Schließlich besteht das Risiko einer Schwangerschaft oder Schlimmerem. Das würde den Ruf der Schule beflecken. Außerdem hat sie, nebenbei bemerkt, keinen guten Einfluss auf die anderen Mädchen. Natürlich berücksichtigen wir durchaus Rebeccas … ähem, familiäre Situation, dennoch muss etwas unternommen werden. Familiäre Trennungen wirken sich so verheerend auf die Kinder aus. Wären Sie so froindlich, hoite
Morgen auf dem Weg in die Klinik kurz in der Schule vorbeizuschauen? Sagen wir um acht Uhr? Punkt acht Uhr? Froit mich. Wir sehen uns dann.«
Doch nach einer weiteren kleinen Schulepisode, bei der Bec drei elfjährige Jungs in ihren Schlafsaal geschmuggelt hatte, hatte Mrs Snell schließlich befunden: »Nehmen Sie das Mädchen mit heim.« Sie durfte weiterhin als Externe den Unterricht besuchen, doch Bec hielt es nicht aus, mit ihrer Mutter in der voll gepfropften Wohnung eingesperrt zu sein. Am meisten vermisste sie ihre Hunde.
Hin und wieder musste Frankie, wenn sie von der Arbeit heimkehrte, feststellen, dass der Carport leer und der Wagen weg war. Dann hatte Rebecca wieder einmal die Schule geschwänzt und war drei Stunden gefahren, nur um bei ihren Hunden zu sein, selbst wenn das hieß, dass sie sich an ihrem Reiseziel den Zorn ihres Vaters zuzog.
Tom deckte sie oft. Er war ein Jahr zuvor von der örtlichen Schule abgegangen. Tom hatte Rebeccas Hunde gefüttert und ausgebildet, während sie in der Schule war. Tom versteckte auch den Wagen unten an der Zufahrt und schmuggelte Essen aus dem Haus, weil Bec in ihrem Schlafsack in einem Heuschober schlief, damit ihr Vater sie nicht in die Stadt zurückschickte.
Tom wird sich schreckliche Sorgen um sie machen, dachte Frankie, während sie die Nummer von Waters Meeting wählte. Ihre Tochter war heute eindeutig nicht hier in der Wohnung gewesen.
Sie hörte Harrys Stimme am anderen Ende der Leitung. Er hatte offenkundig geschlafen, sein »Hallo?« klang barsch.
»Harry, ich bin’s. Ich bin auf der Suche nach Bec. Tom scheint zu glauben, dass sie mit ihren Hunden losgezogen ist. Was hast du diesmal angestellt?«
Harrys Schweigen am anderen Ende der Leitung erfüllte Frankie mit Angst und Schrecken. Immer wenn Bec so ein
Ding abzog, peinigte sich Frankie unausweichlich mit Selbstvorwürfen. Dass sie eine schlechte Mutter war. Dass es ihre Schuld war. Dass ihr der Beruf wichtiger war als die Kinder. Dann schlug ihr Zorn regelmäßig um und richtete sich gegen Harry. Wenn er nur mehr mit ihr gesprochen hätte. Mehr moralische Unterstützung geboten hätte.
»Herrgott noch mal, ist dir deine Tochter eigentlich egal?« Ihr Ausbruch traf auf tiefes Schweigen. Typisch, dachte sie.
»Du weißt, wie sie Auto fährt, wenn sie wütend ist. Sie könnte irgendwo tot im Graben liegen oder einen Unfall gebaut haben. Sie ist jung und attraktiv. Ein Kerl könnte ihr etwas angetan haben! Hast du nach ihr gesucht?«
»Es wird ihr schon gut gehen«, war alles, was Harry sagte.
»Es wird ihr schon gut gehen? O nein, das wird es nicht. Es geht ihr weiß Gott nicht ›gut‹! Sie könnte überall sein! Du hast sie aus dem Haus getrieben, Harry. Deshalb ist es auch deine Aufgabe, sie zu suchen und zu finden! Herr im Himmel, übernimm endlich etwas Verantwortung für deine Kinder!«
»Und das ausgerechnet von dir«, erwiderte Harry ruhig.
Zornestränen stiegen in Frankies Augen auf, und sie knallte den Hörer auf die Gabel. Sie spürte, wie Schuldgefühle und Zorn in ihr hochkochten. Doch als sie schließlich auf die Couch sackte, kam die Angst. Angst um ihre Tochter. Die ganze Nacht hindurch trug sie das Gefühl in ihrem Bauch mit sich herum. Ihre Tochter war zu allem fähig. Aber andererseits, versuchte sie sich zu sagen, während sie sich in den verhedderten Laken ihres Bettes wälzte, war ihre Tochter fähig, Punktum. Sie konnte für sich selbst sorgen. Dieser Gedanke
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