Wo die Wasser sich finden australien2
ließ Frankie schließlich einschlafen und von ihrem kleinen Mädchen träumen, das lachend im Fluss planschte. Als das Wasser stieg und ihre Tochter tosend fortriss, erwachte Frankie mit klopfendem Herzen zu dem elektronischen Schrei ihres Weckers.
An jenem Morgen stolperte Frankie mit dunklen Ringen unter den Augen und straff zurückgekämmtem, notdürftig im Nacken zusammengehaltenem Haar in die Klinik. Sie überflog den Terminkalender, doch ihr Hirn weigerte sich, auch nur einen Eintrag zu speichern. In ihrem Kopf war nur Platz für Rebecca. Die Angst hatte sich in einen stillen Groll gegen ihre Tochter gewandelt. Wie oft hatte Rebecca ihren Terminplan über den Haufen geworfen? Wie oft hatte sie Frankies Konzentration gestört, wenn sie wichtige Operationen vornehmen musste? Frankie spürte die Anspannung in den Schultern. Es war wie ein Messer, das zwischen ihren Schulterblättern gedreht wurde.
Bis zum späten Vormittag, als Charlotte an die Tür zum Pausenraum klopfte, um ihr mitzuteilen, dass Peter Maybury am Telefon war, hatte Frankie kaum durchatmen können.
»Kann ich Sie morgen auf einen Kaffee einladen?«, fragte er zwitschernd.
»Ja. Gut.« Die Antwort kam lust- und tonlos. Sie zögerte und hätte Peter beinahe gefragt, ob sie die Polizei rufen sollte, doch dann legte sie schnell auf.
Sie beschloss, erst heimzufahren und den Anrufbeantworter abzuhören.
In ihrer Wohnung blinkte bereits das rote Lämpchen. Sie drückte die Abspieltaste und sank auf die Couch, als sie Rebeccas aufgekratzte Stimme hörte. »Hi, Mum, ich bin’s, Bec. Na schön, das hast du bestimmt schon gemerkt, schließlich bist du meine Mum. Jedenfalls rufe ich aus einer Telefonzelle an. Ich bin auf dem Weg nach Norden. Dags, Stubby und Moss lassen dich grüßen, stimmt’s, Jungs?«
Frankie musste lächeln, als sie über dem Knistern des Bandes Hundegebell hörte. Offenbar hatte Bec den Hunden per Handzeichen befohlen, »Laut zu geben«.
»Diesmal hatten Dad und ich einen echt heftigen Streit. Den vollen Magenschwinger. Schätze, ich komme nicht so
schnell zurück. Der alte Bastard. Er will mich nicht auf der Farm haben.«
Frankie hörte die Stimme ihrer Tochter brechen.
»Jedenfalls ruf’ ich wieder an, Mum, sobald ich irgendwo gelandet bin. Liebe dich.« Dann war die Leitung tot.
Frankies Hände begannen zu zittern, und ihre Augen starrten ins Leere. Sie saß auf der Couch, presste die flatternden Hände an den Mund und begann zu weinen.
Es war alles so ein Chaos. So ein schreckliches Chaos.
Kapitel 3
Bec tastete nach den heißen, voll gesogenen Pommes frites in dem Pappbehälter zwischen ihren Beinen. Das hochtourige Heulen ihres Subarus wurde von der scheppernden Kassette übertönt, die in dem verstaubten Recorder steckte.
Tom und Bec hatten den Recorder mit rostigen Schrauben unten am Armaturenbrett befestigt, als Bec ihren Führerschein gemacht hatte, und beide hatten gelacht, als Tom einen zusammengeknickten Kronkorken als Sicherung eingesetzt hatte.
John Cougars blecherne Stimme krähte »Hurt so good« aus den wummernden Lautsprechern in den Türen. Der weiße, unterbrochene Mittelstrich lief unter den sirrenden Reifen durch, und Bec sang unter dem Kauen, wobei sie gelegentlich einen Blick in den Rückspiegel und auf ihre Hunde warf. Das Lied erinnerte sie an Sal, ihre Freundin aus dem Internat. Sally hatte sich vor Kurzem an einer Universität eingeschrieben, deren Campus ein paar Stunden östlich der Stadt lag, durch die Bec gerade gerast war.
Bestimmt lag sie gerade in einem winzigen Zimmer, verkatert oder betrunken, und hatte vielleicht die Schenkel um den Leib eines jungen Kerls gelegt, den sie auf der Abschlussparty nach der Orientierungswoche aufgelesen hatte. Oder aber sie saß gebeugt an einem Schreibtisch, die lange, schlanke Nase in ein Buch über Agrarökonomie versenkt und eine kleine Falte zwischen den elegant geschwungenen Brauen.
Bec lächelte, als sie sich ihre beste Freundin vorstellte. Als sie Sally das erste Mal gesehen hatte, hatte sie eine Schuluniform getragen, an einer Backsteinwand gelehnt und langsam einen Apfel gekaut. Sally, groß und schlank, hatte selbst
in dem faden Grau der freudlosen Uniform gut ausgesehen. Bec hatte an dem verknitterten Hemd und dem schlecht sitzenden Blazer hinabgesehen, den sie selbst trug, und wollte an ihr vorbeigehen, weil sie glaubte, dass dieses Mädchen bestimmt zu blasiert war, um sich mit ihr zu befreunden.
»Willst du mal beißen?«, hatte
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