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Wo die Wasser sich finden australien2

Wo die Wasser sich finden australien2

Titel: Wo die Wasser sich finden australien2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: treasure
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großen Küchentisch unter der tickenden Wanduhr gesessen hatten. Großvater am Kopfende, Harry am anderen Tischende. Immer war die Stimmung gedrückt gewesen. Grandad sagte regelmäßig Sachen wie: »Tom, richte deinem Vater aus, dass du morgen mit mir zur Hütte kommen kannst«, oder: »Tom, richte deinem Vater aus, dass der Holden zur Inspektion muss.« Er sagte das sogar, wenn Harry direkt vor seiner Nase saß. Er benutzte seine Enkel, um mit seinem eigenen Sohn zu kommunizieren. Kein Wunder, dass wir alle so verkorkst sind, dachte Tom verbittert, als er seinem Vater zusah.

    Nach dem Tod ihres Großvaters hatten Tom und Bec es während der Schulferien meist übernommen, die Herden zu treiben. Tom konnte seinem Vater den glühenden Neid beinahe ansehen, wenn er eine Herde hereintrieb. Ganz ohne Geschrei, ohne wildes Gehupe oder nebenher trottende Hundemeuten. Die Schafe schienen wie von selbst in die Pferche zu fließen, während Tom und Bec langsam und mit lockerem Zügel nebenher ritten. Sie unterhielten sich sogar dabei, meistens erzählte Bec begeistert über Viehzuchtprogramme, die sie erproben sollten, oder von neuem Saatgut, das sie ausbringen konnten.
    »Von wegen!«, schlossen sie jedes Mal im Chor. Dann sahen sie sich an und brachen in Gelächter aus, beide bemüht, die engen Fesseln zu dehnen, die ihnen ihr Vater anlegte. Becs Hunde waren bislang ihre einzige erfolgreiche Veränderung im Hinblick darauf, wie die Farm geführt wurde.
    Ihre Kelpies hatten einen so ausgeprägten Instinkt, dass sie ihr die Schafe wie von selbst zuführten. Tom und Rebecca brauchten nur am Zaun entlang auf die Front und Flanke einer Herde zuzureiten, und die Hunde erledigten den Rest, indem sie die Schafe vorwärts trieben. Falls die Herde ausbrach oder zu schnell wurde, rannte Bessie instinktiv vor die Herde, um ihr gewaltlos den Weg zu versperren. Dabei hielt sie reichlich Abstand, damit die Leitschafe nicht abdrehten und die Herde zu kreisen begann. Anschließend sah sie aufmerksam auf Tom und wartete auf das nächste Kommando.
    Genau das hatte Bessie heute auch getan, nur dass Harry das nicht begriff. Er war so ganz anders als Grandad. Je älter Tom wurde, desto mehr erkannte er seinen Vater in seinem Bruder Mick wieder. Mick arbeitete inzwischen nur noch selten mit den Herden. Er zog es vor, im Maschinenschuppen herumzubasteln, die Fahrzeuge zu inspizieren und aus eselsohrigen, ölfleckigen Katalogen neue Ersatzteile zu ordern. Natürlich galt das nur für die Zeit, bevor Trudy auf
der Bildfläche erschienen war. Inzwischen verschwand er öfter über ein verlängertes Wochenende und besuchte Trudys Eltern. Jedes Mal wirkte er bei der Rückkehr noch distanzierter. Seit sie ihre rituellen Freitagabend-Besuche in Dirty’s Pub aufgegeben hatten, redete Tom kaum noch mit Mick. Manchmal unterhielten sie sich kurz über die Farm, aber nur ganz selten sprach Mick über seine Beziehung mit Trudy.
    »Irgendwann muss jeder erwachsen werden«, bemerkte Mick. »Sie ist eine echt gute Haut, du musst sie nur besser kennenlernen.« Als Tom daraufhin keine Miene verzog, bohrte Mick weiter: »Sie kocht mir leckere Sachen, und außerdem hat ihr Alter Kies.« Mick hatte das ironisch gemeint, doch Tom konnte ihm ansehen, dass ein Körnchen Wahrheit in seiner Bemerkung lag. Trudy war eine kleine Prinzessin aus gutem Hause, die nur zu gern die Rolle einer Farmerfrau in einem großen Gutshaus spielen wollte.
    Plötzlich zupfte Hank kurz an seinem Gebiss, drehte den langen Kopf der Straße zu und stellte die Ohren auf. Tom folgte dem Blick des Wallachs. Es war Trudy. Sie raste in ihrem roten Ford Laser den Hügel herunter, viel zu schnell und Staub und Steinchen aufwirbelnd. Als sie an der Herde vorbeizog, hupte sie und winkte aus dem Fenster. Tom lächelte still vor sich hin, als die Leitschafe in der Herde stehen blieben und dem kleinen roten Flitzer nachschauten, aus dessen CD-Player Celine Dion quäkte. Im Geist sah er, wie sein Vater im Fahrerhaus des Pick-ups rot anlief und fluchte. Bestimmt schwollen gerade die Adern in seinem Hals, und er zischte etwas wie: »Blöde dumme Kuh.«
    Sie fuhr durch das Tor und stieg danach aus, um es zu schließen.
    »Lass es auf!«, brüllte Harry aus mehreren hundert Metern Entfernung. Celine jodelte ihren Liebeskummer über die Weiden hinaus. Trudy legte die Hand ans Ohr und machte tonlos: »Was?«

    »Nicht zumachen! Nicht – zu – machen!«, brüllte Harry.
    »Okay!«, lächelte die hüpfende Trudy

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