Wo die Wasser sich finden australien2
deutete auf das Familienfoto auf dem Fernseher.
»Du hast nette Kinder.«
»Ja.«
»Deine Tochter ist eine sehr attraktive junge Dame.«
»Sie ist ein wildes Kind. Weiß der Himmel, was sie auf dieser Schafstation treibt.«
»Wenn sie nur entfernte Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hat, kommt sie garantiert zurecht.« Peter sah Frankie in die Augen und holte hörbar Luft, als hätte er sich gerade zu einer Entscheidung durchgerungen.
Lieber Gott, bitte mach, dass er mich noch nicht küsst, dachte Frankie.
Aber Peter sagte: »Ich weiß, das ist schwierig für uns beide. Wir haben beide eine gescheiterte Ehe hinter uns, aber du sollst wissen, dass ich keinen Druck ausüben möchte. Wir sind beide so nervös! Lass uns einfach Freunde werden, dann sehen wir schon, was sich daraus entwickelt. Okay?« Er suchte in ihrem Blick nach einer Reaktion. »Okay?«, hakte er nach.
»Sicher«, antwortete Frankie. »Auf die Freundschaft«, doch während sie ihr Glas anhob und mit ihm anstieß, dachte sie: »Verdammt!« Immerhin war das letzte Mal fast vier Jahre her.
Im schummrigen Licht des lauten italienischen Restaurants lachten Frankie und Peter über den jovialen, mondgesichtigen Musiker, der, an seinem Instrument herumrupfend, zwischen den Tischen herumtigerte. Sie kämpften mit Gabeln voll zappelnder Fettuccine, die sie in den Mund zu bugsieren versuchten, ohne dabei ihr Kinn mit Soße zu bespritzen. Bei der zweiten Flasche Lambrusco hätte Frankie beinahe bemerkt, dass die Fettuccine in diesem Licht bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Bandwürmern hatten, verkniff sich den Satz aber. Peter, dachte sie, war ein echter Städter. Erst als Peter die Fettuccine von der Gabel baumeln ließ und fragte: »Erinnert dich das an deine Arbeit?«, musste sie so laut lachen wie seit Jahren nicht mehr. Peter eröffnete ihr, dass er vor
allem Naturwissenschaften unterrichtete und dass sein liebstes Fachgebiet die Biologie war.
»Wir haben in unserem Labor verschiedene Wurmarten ausgestellt. Ich muss irgendwann eine Führung für dich machen.«
»Das wäre fantastisch«, antwortete Frankie aufrichtig.
»Vielleicht könnten wir ein Abkommen mit deiner Praxis schließen, uns mit Tierteilen für unsere Experimente zu versorgen«, meinte Peter ironisch. Urplötzlich spürte Frankie, wie ihr von dem Wein und von Peters Blick warm ums Herz wurde. O Gott, dachte sie, er liebt Naturwissenschaften! Sie spürte ein leises Kribbeln im Bauch.
Nach einer ungestümen Darbietung des Musikanten und einem atemberaubenden Tanz sanken Frankie und Peter wieder auf ihre Restaurantstühle. Bald hatten sich ihre Finger auf der Tischplatte gefunden, und der Kerzenschein glomm in ihren Augen.
»Wie wär’s mit einem Port, bevor wir uns wieder auf die Straße wagen?«, fragte Peter.
»Bezaubernd.«
Draußen war die Luft abgekühlt. Peter hakte sich bei Frankie ein und ging dicht neben ihr bis zu ihrem Apartment. Sie plauderten angesäuselt und lachten laut auf der leeren Straße. Unten am Hauseingang beschloss Frankie, die Post aus dem Briefkasten zu holen. Als der winzige silberne Briefkastenschlüssel abrutschte und über den Briefschlitz kratzte, begannen beide hinter vorgehaltener Hand zu kichern.
»Ich kann das Loch nicht finden«, sagte Frankie.
»Bist du sicher, dass du den richtigen Schlitz hast?« Peter sah ihr in die Augen, und dann brachen beide in sprudelndes, kicherndes Lachen aus.
»Hier. Lass mich mal ran.« Schließlich drehte Peter den Schlüssel im Schloss und holte die Post heraus. Er blätterte
durch die Umschläge. »Rechnung, Rechnung, Rechnung … aha!« Er wedelte mit einem Umschlag. »Der hier sieht interessant aus.«
Frankie sah das Licht der Straßenlaterne auf dem goldumrandeten Umschlag glitzern. Sie stutzte.
»Hier.« Peter reichte ihr den Brief.
Der große Umschlag war weiß und schwer, und die goldene, geschnörkelte Handschrift ließ ihren Namen, Dr. Frances Saunders, unglaublich pompös wirken. Ihre Finger bohrten sich unter das goldene Siegel, und ein in Goldfolie gewickeltes Schokoladeherz purzelte zu Boden. Während Frankie das steife Papier auffaltete, bückte sich Peter, um das Herz aufzuheben, den Blick fest auf ihr verdattertes Gesicht gerichtet.
»Hochzeit? Mein Sohn? O mein Gott. Mein Sohn wird heiraten.«
»Aber das ist doch toll«, freute sich Peter enthusiastisch.
»Nein. Das verstehst du nicht. Sie haben mich nicht einmal angerufen. Ich weiß gar nichts davon. Ich kenne das Mädchen überhaupt nicht.
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