Wo die Wuerfel fallen
denn die kulturgeschichtliche Bedeutung von Versailles liegt darin, dass es die absolutistische Herrscheridee auf neue und nahezu vollständige Weise verkörpert. Im Zentrum des Schlosses liegt nicht etwa ein Thronsaal, sondern – das Schlafzimmer des Königs. Der »privateste« Raum des Königs war das Zentrum seines Reiches. Er persönlich war der Staat, nicht der »Thron«, auf dem theoretisch auch ein anderer sitzen konnte. Allerdings gab es in Versailles kein »Privatleben«. Der aufwendige repräsentative Hofdienst war für die Adeligen ein aufreibender Knochenjob (und für die Dienstboten natürlich erst recht).
Die Hofkultur von Versailles mit ihrer anstrengenden und ruinösen Etikette war ein weiteres politisches Mittel Ludwigs, den Hochadel an sich zu binden, in Abhängigkeit zu halten, dadurch seine persönliche Macht zu stärken und sie zugleich gegen Übergriffe dieses Adels zu schützen.
Die Hofkultur strahlte auf alle Bereiche aus. So wurden neben |120| Malern auch Dichter und Dramatiker wie Molière, Corneille (
Le Cid
), Racine, der Fabeldichter La Fontaine, der Komponist und Dirigent Lully und der Schöpfer der französischen Barockoper Couperin vom König gefördert, da dieser sich davon eine Stärkung seines Ansehens versprach.
Potemkin’sche Dörfer
Ein hochadeliger Begleiter der Zarin Katharina II. beschrieb das, was er bei ihrer Besichtigungsreise der neu eroberten Gebiete an der Krim im Jahre 1787 zu sehen bekam, mit den folgenden Worten: »Der immer und in allem außergewöhnliche Potemkin kommt mir hier so tatkräftig und rege vor wie faul in St. Petersburg. An den Ufern standen Haufen von Menschen, sie wollten alle den feierlichen Zug der Kaiserin sehen. Städte, Dörfer, Gutshöfe, manchmal auch einfache Hütten waren mit Blumen, gemalten Dekorationen und Triumphbögen geschmückt, dass ihr Aussehen das Auge täuschte und schienen wundervolle, durch Zauberei geschaffene Städte zu sein.« Vermutlich wäre jeder etwas abgelegene Ort in Europa entsprechend herausgeputzt worden, wenn sich der Landesfürst oder wie hier die Kaiserin zur Inspektion angekündigt hätten. Vielleicht überließ Fürst Potemkin, der zuständige Generalgouverneur, auch nichts dem Zufall, weil er wollte, dass seiner Herrscherin, deren Geliebter er angeblich gewesen sein soll, alles gefiel, was sie zu sehen bekam. Grigori Potemkin (1739 – 1791) kam aus vergleichsweise »kleinen Verhältnissen« und hatte eine große Karriere gemacht. Daher gab es sicherlich viele Neider, die nach einer Gelegenheit suchten, ihn anzuschwärzen. Potemkin war Minister und enger Vertrauter der Zarin. Außerdem war er Oberkommandeur der russischen Armee und Flotte sowie Generalgouverneur in Südrussland, das damals regelrecht kolonisiert wurde. Trotz seiner Habsucht und seines verschwenderischen Lebensstils werden seine Fähigkeiten als Politiker und Administrator heute nicht mehr bestritten.
|121|
Der Königshof in Preußen
Soldatenkönig
Der Beiname des äußerst sparsamen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1688 – 1740) bezieht sich auf seine Vorliebe für alles Militärische. Er reduzierte die Ausgaben für Hof und Verwaltung drastisch und steckte fast drei Viertel des Staatsbudgets in den Ausbau der Armee. Berühmt wurden die »Langen Kerls«, Infanteriesoldaten, die mindestens sechs Fuß (1,88 Meter) groß sein mussten und in ganz Europa ausgesucht wurden. Sie bildeten Friedrich Wilhelms Leibregiment. Kriege führte der Soldatenkönig allerdings kaum. Er organisierte eine straffe Verwaltung – der legendäre »preußische Beamte« ist seine Schöpfung –, beseitigte die Reste ständischer Privilegien und vollendete so die absolute Monarchie in Preußen. Auch für das Volk führte er Neuerungen ein, so 1717 die allgemeine Schulpflicht. (In Österreich wurde sie erst 1774 durch Maria Theresia eingeführt.)
Unsicherer Kantonist
König Friedrich Wilhelm I. von Preußen führte ein bis 1814 gültiges Kantonssystem ein, wodurch alle männlichen Untertanen erfasst und nach bestimmten Regeln als Wehrpflichtige eingezogen wurden. Jeder Bezirk hatte dabei eine festgesetzte Zahl von Soldaten zu stellen. Die Wehrpflichtigen hießen Kantonisten. Noch im 19. Jahrhundert war »Kantonist« daher gleichbedeutend mit »Wehrpflichtiger« und wer sich der Gestellungspflicht entzog, ohne gleich Fahnenflucht zu begehen, wurde ebenso als »unsicherer Kantonist« bezeichnet.
Siebenjähriger Krieg
Friedrich II. von Preußen (1712 –
Weitere Kostenlose Bücher