Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
einen Burger bei McDonald᾽s essen«, erzählt Arnaldur. Lieber isst er die traditionelle, isländische Küche (die Schafsköpfe verfolgen mich!). »Und wenn jemand schlechtes Isländisch spricht, korrigiert er ihn«, fährt Arnaldur fort. »Denn wir sind sehr stolz auf unsere Sprache. Es gibt niemanden außer uns, der sie sprechen und bewahren kann.«
Das stimmt. Es ist eine eigene Sprache für 300 000 Menschen plus ein paar wenige, die sie gelernt haben. Manche nennen Isländisch
das »Latein des Nordens«, denn die Sprache kommt aus dem Altnordischen und hat sich im Laufe der Jahrhunderte nur wenig verändert. Oft hört man die Isländer stolz erwähnen, dass sie die mittelalterlichen Sagas bis heute problemlos lesen können. Außerdem ist ihre Sprache sehr bildhaft und poetisch, weil sie ursprünglich eine Sprache der Seemänner und Bauern war. Ortsnamen sind vielfach direkte Beschreibungen der Landschaft. So heißt beispielsweise der berühmte Vulkan Eyjafjallajökull übersetzt »Inselbergegletscher« (und Vulkane sind im Isländischen weiblich!). Auch die Vornamen der Isländer kommen vielfach aus der Natur. Unterhält man sich mit Örn, Logi und Björk, tut man das mit Adler, Flamme und Birke.
Die Isländer haben sogar extra ein Komitee, das sich für jede moderne Errungenschaft ein neues Wort ausdenkt. Telefon heißt etwa »sími«, was so viel wie »Draht« oder »Faden« bedeutet. Mobiltelefon heißt folglich »mobiler Draht«. Wer von gervitungl (Satelliten) spricht, spricht vom »künstlichen Mond« und tölva (Computer) ist die »Wahrsagerin der Zahlen«. Denn das Wort ist zusammengesetzt aus tala (Zahl) und völva (Wahrsagerin).
»Wenn wir unsere Sprache verlieren, verlieren wir einen großen Teil unserer Identität«, sagt Arnaldur. »Natürlich darf sie sich verändern, aber sie soll nicht zu einem Slang verkommen.« Er lächelt. Hier sei er sehr wie sein Kommissar. Erlendur bedeutet übrigens »Fremder« – weil er aus einem kleinen Ort in den Ostfjorden kommt, hinreißend altmodisch ist und sich im modernen Reykjavík oft wie ein Fremder fühlt.
Gerade als wir an der amerikanischen Militärbasis kurz vorm Flughafen Keflavík vorbeifahren, sagt der Autor: »Erlendur wäre froh, wenn die weg wären.« Der Regen hat gestoppt, kurz scheint die Sonne. Es ist eines der vielen charmanten Paradoxe, die es in Island gibt. Das Land ist seit 1949 in der NATO – ohne seither je
eigene Streitkräfte besessen zu haben. Gegen den Beitritt protestierten viele Isländer damals heftig – man wollte kein Stützpunkt großer Militärmächte sein. Bereits im Zweiten Weltkrieg waren britische Truppen in Island gelandet. Um den Deutschen zuvorzukommen, denn Island hatte schließlich eine strategisch interessante Lage im Nordatlantik. Ein Jahr später übernahmen die Amerikaner die Verteidigung Islands. Zwar verließen sie 1947 das Land wieder, doch sie kamen 1951 bereits zurück. Da Island keine Truppen beisteuern konnte, hatte man im Zusammenhang mit dem NATO-Beitritt 1949 vereinbart, dass hier in Kriegszeiten ausländische Truppen stationiert werden könnten. Und als 1950 der Koreakrieg ausbrach, nutzten die USA die Gelegenheit, US-Truppen in Island zu positionieren. Schließlich befand man sich im Kalten Krieg. Die Isländer verbannten die Truppen daraufhin nach Reykjanes und erlegten ihnen anfangs strenge Auflagen auf. Bis auf mittwochs etwa durften sie nicht in die Stadt – und das war genau der Tag, an dem kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Aber auch wenn ein großer Teil der Isländer gegen die Stationierung ausländischer Truppen war, so bedeuteten sie doch immer auch Handel, Arbeitsplätze und einen zum Teil beachtlichen Aufschwung der Wirtschaft.
»Ich bin gegen alles Militärische«, sagt Arnaldur. »Vielleicht leben wir in einer Welt, in der man das einmal abschaffen kann. Vielleicht bleibt es für immer. Man dachte, es wäre vorbei nach dem Kalten Krieg, aber jetzt haben wir den Irakkrieg.« Im Jahr 2003 unterstützte die isländische Regierung nämlich überraschend die Amerikaner im Irakkrieg. Seit 2006 aber ist der Wunsch von Arnaldurs Kriminalkommissar wahr geworden: Die US-Truppen sind abgezogen und haben das Land verlassen.
»Jetzt haben wir einen Schneesturm«, sagt Arnaldur. Ein eisiger Wind peitscht über den kleinen Friedhof in Sandgerði und
über die Gestelle in der Ferne, an denen Stockfisch zum Trocknen hängt. »Erlendur würde dieses Wetter gefallen«, sagt der Autor. Er grinst.
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