Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
weiß Gott kein Schachland war, schlug die Sowjetunion – das Land, in dem Schachspieler Nationalhelden waren und wie Staatsdiener bezahlt wurden. Und das auf einer Insel, auf der Schach schon seit Ewigkeiten populär war. Das Brettspiel wird schon in den mittelalterlichen Sagas erwähnt und auch in den isländischen Märchen. Und nun glänzte Island damit im Rampenlicht der Welt.
Aber bis es zu dem Match kam, dauerte es. Denn Fischer ließ auf sich warten. Er weigerte sich zunächst sogar, überhaupt anzureisen.
Aus der Ferne verlangte er selbstbewusst nach mehr Geld. Womöglich hatte er aber auch einfach bloß Angst. Denn schon damals plagten Fischer Verschwörungstheorien. Er fürchtete sich etwa vorm Fliegen, weil er meinte, die Sowjets könnten sein Flugzeug in die Luft sprengen. Er hatte sich vor dem Match sogar sämtliche Zahnfüllungen herausnehmen lassen, damit ihm niemand eine elektronische Kapsel implantieren und seine Hirnwellen lesen konnte. Denn so war Fischer. Ein Genie, jedoch nah am Wahn gebaut. Wenn er Schach spielte, war er in seinem Element, sagte mal einer, der ihm nahestand. Wenn nicht, war er wie ein Fisch außerhalb des Wassers.
Boris Spasski, das russische Supertalent, befand sich damals längst in Reykjavík. Doch Fischer kam nicht. Er riskierte, alles zu verlieren. Und die Isländer fieberten mit. Sie riefen irgendwann sogar im Weißen Haus an und darauf Henry Kissinger bei Fischer. Kissinger sagte ihm, dass er fahren müsse und die Russen besiegen, und da gab Fischer sich endlich einen Ruck. Mit einer Woche Verspätung, landete er in Island. Gerade noch rechtzeitig und nur fünf Stunden bevor seine Frist ausgelaufen wäre. Die isländischen Veranstalter waren erleichtert. Doch dann lief wieder nicht alles glatt. Nach dem zweiten verlorenen Match weigerte Fischer sich, vor Kameras zu spielen. Deshalb wechselten die beiden Schachgrößen für ein Spiel in einen kleinen Nebenraum. Und dieses Spiel gewann Fischer. Danach ging es wieder zurück auf die Hauptbühne im großen Saal. Mit jedem Spiel wurde Fischer stärker und die Russen nervöser. Jetzt witterten sie böse Machenschaften und forderten, dass der Stuhl von Fischer auf geheime Strahlenwaffen abgesucht werden müsse. Das wurde getan. Aber da war nichts.
Bobby Fischer gewann. Offiziell war er der strahlende Held. Doch Gudmundur Þórarinsson, der Präsident des Isländischen
Schachverbands, erzählte später in einem feinfühligen Interview, er habe das Gefühl gehabt, beide Spieler seien hinterher psychisch beschädigt gewesen. Der Isländer sollte recht behalten. Kurz nach dem legendären Match tauchte Bobby Fischer ab. Er verlor seinen Weltmeistertitel wegen Nichtantritt und ward 20 Jahre lang nicht gesehen. Bis er Spasski ein zweites Mal herausforderte und wieder gewann. Wer hätte geahnt, dass Bobby Fischer je nach Reykjavík zurückkehren, isländischer Staatsbürger werden und hier sterben würde?
Björks Vater hat Grippe
Hulda und ich drehen noch eine Runde auf der Laugavegur. Ich frage nach Björk. Denn ich muss zugeben, der berühmten Sängerin würde ich zu gern einmal begegnen. »Björk?«, sagt Hulda und guckt kurz betroffen. »Die habe ich vor ein paar Tagen gesehen. Ich muss unbedingt nachfragen, wie es ihrem Vater geht. Der hatte doch gerade die Grippe!« Denn so ist das in Island. Björk mag ein internationaler Superstar sein. In Island ist sie ein ganz normaler Mensch – und die Tochter des Mannes, der gerade Grippe hat. Jedes Mal, wenn ich hier jemanden von ihr erzählen höre, klingt es, als sei Björk Teil der eigenen Familie. Etwa so: »Die hat gerade viel zu tun, sie geht ja bald auf Tournee.« Oder: »Sie ist jetzt oft in New York, weil sie doch einen amerikanischen Freund hat.« Oder: »Die habe ich gestern getroffen. Sie saß im Café und stillte gerade ihr Baby. Sie ist ja kürzlich wieder Mutter geworden.« Auch meine Mitbewohnerin Eeva hatte Björk schon gesehen, abends, tanzend in einem Club namens Sirkus. Nur ich nicht. Leider.
Die Isländer hingegen machen um ihre Stars keinen Wirbel. Sie erkennen deren Leistungen an, das auf jeden Fall. Aber niemand
flippt aus, wenn er jemand Berühmten auf der Straße sieht. In einer kleinen Gesellschaft, die traditionell klassenlos war, betrachtet man die Dinge viel eher gelassen. Man weiß alles voneinander. Wer wessen Eltern oder Exfreunde sind, wer wie in der Schule war oder wer einst von welcher Klassenreise nach Hause geschickt wurde.
Außerdem ist in
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