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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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sagt mein Kollege Dagur, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.
    Kurz darauf müssen wir weiter. »Was macht dein Schnupfen? «, fragt Hildibrandur beiläufig beim Abschied. Ich stutze und frage mich für einen Moment, ob ich je einen hatte.

Bitte Schuhe ausziehen
    Kaum haben wir das Hofgelände verlassen, greift Dagur zu seinem Handy und wählt eine Nummer. »Wir kommen gleich vorbei, bist du denn auch da?«, fragt er. Und spätestens da bin ich mir sicher, dass es nur ein Scherz ist. Wir fahren natürlich nicht ins Gefängnis. Sonst würde man kaum anrufen und fragen, ob der Betreffende da sei. Es sei denn, Dagurs Humor ist schwärzer, als ich dachte.
    »Los geht’s«, sagt er. »Wir fahren ins Gefängnis.«
    »Klar«, sage ich. Und glaube kein Wort. Doch ich sollte mich irren.
    Die Fahrt dauert nicht lang. Wir fahren an dem Ort Grundarfjörður vorbei und bald darauf durch die Einsamkeit einer kleinen Landzunge. Nebel umhüllt einen dunklen Berg. Das Gebäude, auf das wir zufahren, ist das einzige weit und breit. Ein weißer Flachbau mit grünem Dach. Von Weitem sieht er aus wie eine Jugendherberge. Wir parken. Dagur geht auf das Gebäude zu. Mir schwant irgendwie schon, dass er mich doch nicht auf den Arm genommen hat. Doch dann stutze ich, als er die Klinke herunterdrückt. Die Tür ist unverschlossen.

    Wir betreten einen Vorraum mit Schuhregalen. An der Wand steht ein Schild: »Bitte Schuhe ausziehen.« So macht man das immer in Island. Das sollte man wissen. Besucht man jemanden, zieht man im Flur als Erstes die Schuhe aus. Alles andere wäre unhöflich. Und warum sollte das im Gefängnis anders sein?
    Auf Socken gehen wir weiter durch die nächste Tür und kommen bald in einen Gang, von dem lauter Zimmer abgehen. Wir sehen Männer in Zivil. Als Außenstehender ist es unmöglich festzustellen, wer hier Wärter und wer Gefangener ist. Später erfahre ich, was es mit alldem auf sich hat. Im Gefängnis Kvíabryggja, das früher einmal eine Fischstation war, sitzen vor allem Wirtschaftskriminelle ein. Deshalb ist es auch nicht abgeschlossen. Die Insassen dürfen tagsüber spazieren gehen. Sie können hinaus in die Natur, nur nicht in den nächsten Ort. Und zum Abendbrot müssen sie wieder zurück sein. Sonst gibt es Ärger. Außerdem kriegt man Ausbrecher in Island schnell. Untertauchen ist schwierig in einem Land, in dem jeder jeden kennt.
    Gefängnisstrafen wurden in Island übrigens erst im 17. Jahrhundert eingeführt. Weil man jedoch kein eigenes Zuchthaus hatte und damals noch unter dänischer Hoheit stand, schickte man Straftäter anfangs nach Kopenhagen. Doch irgendwann wurde das zu teuer und so bekam Island im 18. Jahrhundert sein erstes eigenes Kittchen im Zentrum von Reykjavík. Jeder kennt das weiße, elegante Haus in der Lækjargata und es ist ein beliebter Anlass zum schmunzelnden Spott. Denn es beherbergt schon seit längerer Zeit das Büro des Premiers. Es ist, wenn man so will, das Pendant zum Bundeskanzleramt.
    100 Jahre später wurde ein neues Gefängnis in Reykjavík erbaut. Es liegt in der Skólavörðustígur 9, ebenfalls mitten im Zentrum und so nah an den vielen Bars, dass man die Feierwütigen von hier aus hören kann. Man sagt, das Gefängnis ist nur am Wochenende
voll, wenn Betrunkene irgendwelchen Mist gebaut haben. Auch über dieses Gebäude scherzt man übrigens gern – weil es mit seinen dunklen Steinmauern und den weißen Rundbogenfenstern dem Parlamentsgebäude verblüffend ähnlich sieht.
    Aber zurück nach Snæfellsnes. Die Zelle von Dagurs Freund sieht aus wie ein normales kleines Zimmer. Es gibt ein Bett, einen Schreibtisch und an der Wand hängen Fotos und eine Gitarre, außerdem hat man einen wunderschönen Blick auf die Natur. Dagur und sein Freund scherzen, dass sie jetzt abhauen und mich hierlassen werden. Kurz wird mir mulmig. Denn ehrlich gesagt, zuzutrauen wäre es den beiden, für einen Witz so weit zu gehen. Schließlich kommt der Freund von Dagur von einer Insel, die den berühmtesten Humor-Club Islands hat. Clubs zu gründen, ist eine weitere isländische Leidenschaft. Es gibt sogar einen Club, der sich für die Wiedereinführung der Monarchie in Island engagiert – aus Spaß, denn Island war von 1918 bis 1944 wirklich ein Königreich, wobei es den Monarchen durch die Personalunion mit Dänemark teilte. Dieser Club besteht aus drei Leuten und alle sind Freunde von mir. Ein paar der Mitglieder des Humor-Clubs von jener Insel jedenfalls haben sich

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