Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
dadurch einen Namen gemacht, dass sie das Haus eines Kumpels über Nacht schwarz gestrichen haben. Sogar die Fenster, sodass der Freund morgens verschlief, weil er dachte, es sei noch Nacht. Und ein anderes Mal hat man sich mit einem Hochzeitspaar einen Scherz erlaubt. Als der frischgebackene Ehemann morgens nach der Hochzeitsnacht vom Hotelbett aus beim Service anrief, um ein Frühstück für zwei Personen aufs Zimmer zu bestellen, raunte es von unter dem Bett: »Für vier. Frühstück für vier, bitte!« Weil sich zwei Kumpel unter dem Bett versteckt hatten. So erzählt man sich die Geschichte zumindest. Wie lustig die Eheleute das fanden, ist dabei allerdings nicht überliefert.
Aber eines ist klar: Isländer lieben es, Unsinn zu machen. Und bei unserem Freund, der von dieser Insel kommt, muss man mit allem rechnen. Weil er übrigens ein guter Redner ist, war seine erste Amtshandlung im Gefängnis, sich dafür einzusetzen, dass alle Gefangenen neue Betten und neue Matratzen bekommen. Gefängnisse in Island sind wirklich nicht übel, denke ich, als ich mich so umschaue. Bis vor Kurzem gab es sogar Internetanschluss. Allerdings wurde der wieder gekappt, als herauskam, dass einer der Insassen von hier aus illegale Geschäfte betrieb. Ein berühmter brasilianischer Verbrecher ist da übrigens mit mir ganz einer Meinung. Er sagte einmal über ein anderes isländisches Gefängnis (es gibt insgesamt fünf): »So etwas habe ich noch nie gesehen. Das ist ja wie ein 4-Sterne-Hotel!«
Der Freund von Dagur allerdings sieht die Sache anders. Er fühlte sich unlängst nicht gut behandelt. Denn er hatte einen Brief an die Gefängnisleitung geschrieben, mit der Bitte, einen Tag freizubekommen. Wie jedes Jahr wollte er als Sänger auf einem großen Festival seiner Insel auftreten.
Er hielt mit seinem Vorhaben auch nicht hinterm Berg und erzählte seinen Gefängniskollegen davon. Die wiederum fanden auch, dass das eine prima Idee sei, und stellten ebenfalls alle Anträge auf einen freien Tag. Denn sie wollten auch gern zu dem Festival. Die Gefängnisleitung lehnte jedoch ab. Was Dagurs Freund wiederum so ungerecht fand, dass er einen offenen Brief darüber schrieb, dass man es hier mit Spielverderbern zu tun habe. Der Brief wurde auf der Leserseite im Morgunblaðið veröffentlicht. Da sieht man es also mal: In Island lässt man sich, selbst wenn man im Gefängnis sitzt, nicht unterkriegen oder seine Träume verbieten.
Es ist langsam Abend und Zeit, aufzubrechen. Als wir losfahren, fragt Dagur mich: »Hast du beim Rausgehen gesehen, was
der Nachbar von meinem Kumpel in seinem Zimmer hatte?« – »Nee«, sage ich. »Was denn?« – »Eine Schrotflinte«, sagt Dagur. »Der schießt von seiner Zelle aus auf Möwen!«
»Ich weiß gar nicht, was daran so komisch sein soll«, sagt Gisli am nächsten Tag in der Redaktion zu mir. »Das ist schließlich ein Gefängnis für jugendliche Kriminelle, Ersttäter und alle, die keine Gefahr für die Bevölkerung darstellen. Die haben keine Gewalttaten begangen. Warum sollten sie also keine Schrotflinte haben dürfen?«
»Ja, Gisli, da hast du natürlich recht«, sage ich. »Aber lustig ist das trotzdem, dass da jemand im Gefängnis sitzt und mit einer Schrotflinte aus seiner Zelle heraus schießt.«
Gisli kann daran nichts Erstaunliches finden.
Dann wird unser Gespräch unterbrochen. Meine Hilfe wird gebraucht. Es ist ein Drogenschmuggel zwischen Deutschland und Island aufgeflogen. Und ich bin froh, dass ich meine isländischen Kollegen unterstützen kann, in dem ich für sie mit der deutschen Polizei telefoniere. Ein Jahr lang hatten die Fahnder gegen eine Drogenbande ermittelt, die größere Mengen Amphetamin, Kokain und Haschisch aus den Niederlanden, Marokko und Spanien über Deutschland nach Norwegen und Island geschmuggelt haben. Drei Leute hatte man in Island festgenommen – was nun auch erklärt, weshalb man mich am Flughafen damals so gründlich filzte. Die Bande setzte auf die Strategie, möglichst harmlos aussehende Kuriere einzusetzen, darunter sogar eine Mutter mit Kind.
Island war für die Bande als Schmuggelziel vor allem deshalb interessant, weil die Gewinnmargen so hoch waren. Dort wird auf dem Schwarzmarkt ein fünf bis sechs Mal höherer Preis für Haschisch gezahlt und für Kokain sogar bis zu zehn Mal so viel, ließ das Hamburger Zollfahndungsamt in seiner Pressemitteilung
wissen. Die deutschen und die isländischen Polizisten hatten gut zusammengearbeitet und man
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