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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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war froh, der Bande auf die Schliche gekommen zu sein. Außerdem fanden wir heraus, dass die Drahtzieher einst gemeinsam im Gefängnis gesessen hatten.

Vulkane und Skandale
    »Es kommen viele Kriminelle in mein Kino«, sagt Villi Knudsen. Er kichert. »Ich schätze, sie mögen Explosionen.«
    In Island kommt man an ein paar Charakteren nicht vorbei. Einer davon ist Villi Knudsen. Er ist einer der bekanntesten Vulkanfilmer des Landes und betreibt in Reykjavík ein kleines Kino, das ausschließlich Vulkanfilme zeigt. Das Red Rock Cinema liegt in der kleinen Straße Hellusund in der Nähe des Stadtsees.
    Das Vulkankino liegt gleich neben der deutschen und der britischen Botschaft, die in Reykjavík im selben Gebäude sitzen und sich den Eingangsbereich, die Kaffeeküche und den Konferenzraum teilen. Eine Sache, die wohl nur in Island vorkommen kann. Aber hier liegt nun mal vieles nah beieinander, Vulkane und Gletscher genauso wie die Bars und das Stadtgefängnis. Und im Hafen von Reykjavík schaukeln die alten Walfangboote witzigerweise nur eine Stegbreite entfernt von den Walbeobachtungsschiffen. Alles ist so nah und so klein, da muss man halt toleranter sein.
    Ein paar Schritte neben der Botschaft jedenfalls steht auf dem Bürgersteig ein feuerrot angestrichener Stein. Es ist der Wegweiser zum Kino im Hinterhof. Ein kleiner flacher Bau, ebenfalls rot
lackiert, davor eine rote Bank. Drinnen, an einem roten Tresen, steht Villi Knudsen. Er ist groß, trägt ein schwarzes Hemd, Jeans und einen blauen Parka und ist erst einmal alles andere als vulkanisch.
    Reden mit Villi ist vielmehr wie das Warten auf einen Ausbruch. Denn erst einmal passiert nichts. Oder nur wenig. Dann murmelt der Vulkanfilmer, der wirkt, als hätte man ihn gerade aus dem Mittagsschlaf gerissen, so vor sich hin. Er scheint die Ruhe selbst zu sein. Doch dann, plötzlich, regt sich was. Dann schmunzelt er unter seinem rötlichen Bart und es schießt etwas aus ihm heraus, ein Spruch oder eine Anekdote.
    Vulkan-Villi liebt Skandale. Er sei ein News-Fanatiker, sagt er und guckt mich, die Lesebrille auf halbmast, durchdringend an. Außerdem sei es wichtig, über die aktuellen Geschehnisse Bescheid zu wissen. Dann habe man was zu reden. Deshalb fragt er auch jeden seiner Besucher, wo er herkommt und was er beruflich so macht. Er findet das »höchst interessant« und man kann nie wissen, wem man begegnet. Einmal, da kam zum Beispiel ein junger Typ in sein Kino, der irgendwie so verschlossen war. Er war zusammen mit zwei Mädchen da, die er im Zentrum kennengelernt hat. Villi schlurft durch sein rotes Reich. »Na ja und dann«, sagt er, völlig unaufgeregt, »landet der Typ wenige Tage später mit seiner Cessna auf dem Roten Platz in Moskau.«
    Das war 1987 und der Kinobesucher kein Geringerer als Matthias Rust. Villis Schultern beben jetzt, er kichert. Selbst der berühmte Terrorist aus Caracas, Carlos der Schakal, sei schon in seinem Kino gewesen, erzählt Villi nicht ohne Stolz. Das war 1986, kurz vor dem legendären Gipfeltreffen von Reagan und Gorbatschow. Er habe ihn zwar nicht erkannt. Aber ihm sei aufgefallen, dass er sehr nervös war. »Ich habe gesehen, dass da etwas in seinem Kopf abging«, sagt Villi. Heute sitzt Carlos, der
Schakal, der mit richtigem Namen Ilich Ramírez Sánchez heißt, in einem Pariser Gefängnis, verurteilt zu lebenslanger Haft.
    »Ja, ja«, sagt Villi zufrieden. »Ich treffe hier alle möglichen verrückten Leute.« Einmal, erzählt er weiter, kamen zwei Amerikaner in seine Vulkanshow. Auf die Frage, was sie beruflich machen, antworteten sie, sie wären »im Finanzbusiness«. Aber Villi merkte schon, dass da etwas nicht stimmte. Zwar schienen sie Geld zu haben, aber sie kannten sich auch auffallend gut mit dem Filmemachen aus. Das merkte er an ihren Fragen zu den Kameraeinstellungen. Ein paar Wochen später entdeckte Villi sie auf dem Cover einer Zeitschrift wieder. Es waren die Oscar-prämierten Coen-Brüder.
    Nicht nur der Stein auf dem Bürgersteig, das Kinogebäude und der Tresen sind rot, auch die Sitze im kleinen Kinosaal, die Türklinken, ja sogar die Klobrille und das Handtuch im Bad. Das habe ich in Island oft gesehen, dass man die Dinge in den Läden oder Museen humor- und liebevoll bis ins kleinste Detail ausarbeitet. Selbst in Villis Büroräumen, wo er die Filme schneidet und bearbeitet, herrscht ein perfekt inszeniertes, heilloses Durcheinander. Auf dem Boden stapeln sich wild die Kartons, auf den Schreibtischen

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