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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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türmen sich Filmrollen neben Cola-Flaschen und Zigaretten-Packungen. »Hier ist es eben ein bisschen vulkanisch«, erklärt er.
    Villi, 1944 geboren, ist ein alter Hase im Geschäft. Schon sein Vater Ósvaldur war ein berühmter Vulkanfilmer und wie der Zufall es so wollte, hatte der sich gerade seine erste Kamera gekauft, als 1947 der Vulkan Hekla ausbrach und erst 13 Monate später zum Stillstand kam. Also fuhr Ósvaldur los und machte seine ersten Aufnahmen. Mit 13 Jahren wusste auch Sohn Villi, wie man mit einer Kamera umgeht, und wenn sein Vater eine zweite Kameraeinstellung brauchte, durfte er helfen. Seinen ersten
großen Einsatz erlebte Villi mit 19 Jahren. Es war der 14. November 1963 als an der Südküste von Island eine dunkle Rauchsäule mitten aus dem grauen Meer aufstieg. Sie quoll in die Höhe und wurde immer größer, begleitet von weißem Dampf, gewaltigem Donnergrollen, Zischen und heftigem Schwefelgestank. Auf dem Meeresboden war ein Vulkan ausgebrochen. Mit zwei Flugzeugen flogen Villi und sein Vater los und filmten, wie aus den Fluten in spektakulären Szenarien eine neue Insel auftauchte. Man nannte sie Surtsey, nach dem Feuerriesen Surtur aus der isländischen Mythologie. Der Ausbruch, bei dem nicht nur Lavafontänen in die Höhe schossen, sondern auch Steinblöcke durch die Luft flogen, dauerte insgesamt dreieinhalb Jahre, doch die Insel war an einem einzigen Tag aufgetaucht und den hatten sie im Kasten.
    1975 eröffneten sie gemeinsam das Kino. Ich möchte nun wissen, was ihn so an Vulkanen fasziniert. »Ich bin kein Vulkanfanatiker«, murmelt Villi vor sich hin. »Das ist mein Job.« Im Grunde sei es eine »endlose Organisation«, »eine kleine, private Militäroperation« und »sehr, sehr teuer«. So ein Film koste schnell so viel wie mehrere Häuser, erklärt er, weil man Flugzeuge brauche, Mietwagen und Kameramänner. Und man muss schnell sein wie die Feuerwehr. Plötzlich guckt Villi hoch. Denn es war etwas passiert, das für Interview-Situationen in Island typisch ist. Kleine, erstaunliche Zufälle, die sich nebenbei ereignen. Mein Stift hatte den Geist aufgegeben, also hatte ich mitten im Gespräch blind in meine Tasche gegriffen und mit einem neuen weitergeschrieben. »Ist dir aufgefallen, dass du plötzlich mit einem roten Stift schreibst?«, fragt Villi in verschwörerischem Ton. Ich stutze. Ich schreibe nie mit Rot und wusste nicht einmal, dass ich einen roten Stift mit hatte.
    Ob es nicht eindrucksvoll wäre, so dicht dran zu sein, wenn
ein Vulkan ausbricht und die Urgewalten zürnen, will ich wissen. »Ich habe sehr viel Glück gehabt«, sagt Villi, »ich hatte viele Beinaheunfälle.« Einmal, im Jahr 1973, als der Vulkan Eldfell auf der Insel Heimaey ausbrach, und er gerade den Berg hochkroch, flogen »Lava-Bomben« an ihm vorbei. Eine landete ganz dicht neben ihm. Da sei er den Berg so schnell hinuntergelaufen, »das war ein Weltrekord«. Ein anderes Mal, am Mývatn 1977, kamen sie beim Warten auf den großen Ausbruch in einen Schneesturm. Und der war so heftig, dass sie die Krater nicht mehr sehen konnten. »Das war ein sehr seltsamer Abend«, sagt Villi. Sie fuhren mit Schnee-Scootern über eine weiße Ebene. Aus irgendeinem Grund blieb der vorderste Mann plötzlich stehen, wahrscheinlich nur, um sich kurz umzuschauen. Da stellten sie fest, dass sie direkt vor einem Abgrund zum Stehen gekommen waren. Ein paar Meter vor ihnen ging es 150 Meter in die Tiefe. Im Boden war ein tiefer Riss entstanden. »Es ist nur ein kurzer Weg vom Leben in den Tod«, sagt Villi unbeeindruckt. Aber er glaubt, dass er einen Schutzengel hat und dass es die Schwester seiner Großmutter ist, mit der er zu Lebzeiten allerdings nie geredet hat.
    Angst habe er trotzdem nicht, dazu habe er in solchen Situationen keine Zeit. »Ich mache einfach, was ich tun muss«, sagt er. Er sei gerade in den verrücktesten Situationen immer ausgeglichen. Und das glaubt man ihm. Er scheint überhaupt erst bei Vulkanausbrüchen in Wallung zu geraten. »Es ist wichtig, das Leben nicht zu ernst zu nehmen«, sagt Villi. Und die Isländer würden übrigens »auch Vulkane nicht so ernst nehmen«.
    Der Vorraum im Kino hat sich inzwischen mit Besuchern gefüllt. Villi lotst sie in den Saal mit den roten Stühlen. Bevor der Film beginnt, hält er noch einen Vortrag. »Wir warten gerade auf den Ausbruch von Katla an der Südküste«, sagt er. Und der
wird verrückt sein. Erst gäbe es eine große Explosion, dann tagelang

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