Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Ascheregen. Und weil der Vulkan unter dem Gletscher Mýrdalsjökull liegt, würde kurz darauf ein enormer Wasserstrom über die Küste sausen. Der Ort Vík müsse evakuiert werden. Für die Rettungsmannschaften werde das nicht einfach sein, weil das Hubschrauberfliegen bei Ascheregen schwierig ist.
»Manchmal fragen mich die Leute jetzt, ob es gefährlich sei, in diese Gegend zu fahren«, sagt Villi. Aber dann antworte er immer: »Ach, wissen Sie, wir müssen alle irgendwann sterben. Und die Südküste ist einer der schönsten Orte dafür.« Und genau so sind dann auch Villis Filme. Voller spektakulärer Bilder, unterlegt mit unaufgeregter Erzählerstimme und lava-schwarzem Humor.
Manchmal fragen die Leute ihn auch wie er es schafft, immer so ruhig zu bleiben, erzählt er mir. Dann sagt er: »Oh, das sieht nur so aus, untendrunter, unter der Oberfläche brodelt’s.« Und erst da bemerke ich es. Dass unter seinem schwarzen Hemd ein rotes T-Shirt hervorblitzt.
Die Südküste
Ich plane einen Trip entlang der Ringstraße, die auf insgesamt 1336 Kilometern einmal um die Insel führt. Die meisten Besucher fahren von Reykjavík aus im Uhrzeigersinn um die Insel (also erst gen Norden). Doch ich beginne, gemäß Villis Vorschlag, mit einem kurzen Abstecher Richtung Süd-Osten, da die Südküste angeblich einer der schönsten Orte der Insel ist. Letztlich ist es egal, wie herum man fährt. Wichtig ist nur: Jeder, der Island besucht, muss in die Natur. Dorthin, wo der Zauber waltet.
Die Wildheit beginnt gleich hinter den Toren der Stadt. Im Nu fährt man durch Lavafelder, die aussehen wie ein wogendes Meer, das zu Gestein erstarrt ist – so hat sie jemand passend beschrieben. Wie auch tausend andere Beschreibungen zutreffen. Denn machen Sie sich auch darauf gefasst, dass Sie auf dem Naturtrip zum Poeten werden. Irgendwas muss man nämlich tun, wenn man von solch surrealen Welten umgeben ist. Ich schaue hinaus auf die Innereien der Erde. Sie sind gezuckert von Schnee, der in der Sonne funkelt. Ich bin gespannt, was mir die Fahrt in die Natur wohl über die Seele der Isländer verraten wird.
Die isländische Art, zu denken, sei »eher poetisch als philosophisch«,
diese Anmerkung eines isländischen Autors habe ich in einem alten Merian -Heft gefunden. »Island hat nie einen bedeutenden Denker, dafür aber viele große Dichter hervorgebracht«, schreibt er. Und jetzt, wo ich durch diese unwirkliche Umgebung fahre, leuchtet es mir ein. Denn der Verstand und die Logik haben in dieser sonderbaren Natur nichts mehr zu melden. Und nur die Poesie vermag es, die Schönheit und die Anmut einzelner Momente so abzubilden, dass einem das Herz aufgeht. Und das ist es, was passiert, wenn man durch diese merkwürdige Landschaft reist.
Pipelines laufen durch die Lavafelder, vor einem Berg tänzeln Schwaden aus Dampf. Ganz in der Nähe liegt eines der größten geothermischen Kraftwerke Islands, das den Großraum Reykjavík mit Warmwasser versorgt. Dort wird es in riesigen Kesseln gelagert, bevor es an die Haushalte verteilt wird. Man sieht es an dem Gebäude Perlan (die Perle), welches in der Hauptstadt auf einem Hügel steht und wie ein verirrtes Ufo aussieht.
Bald komme ich nach Hveragerði, jenem Ort mit den heißen Quellen, in dessen beleuchteten Glashäusern Gemüse und Blumen gedeihen und Bragis »Garten Eden« mit den Bananenpflanzen liegt. Neben der Kirche steigt Schwefelnebel empor. Ich fahre weiter. Auch Selfoss, das bald folgt, durchquere ich nur. Es ist mit 6 500 Einwohnern die größte Stadt an der Südküste. Viele machen hier die letzten Einkäufe, bevor es in die Wildnis geht. Denn schon bald gehen von der Ringstraße Wege ab, die ins Hochland führen. Dorthin kommt man allerdings nur mit Geländewagen. Und es darauf anlegen und mit einem normalen Pkw hinfahren, sollte man besser nicht. Der isländische Rettungsdienst kann nämlich ein Lied davon singen, wie es ist, übermütige Touristen abzuschleppen. Manche meinen gar, sie seien Jesus und könnten mit Pkws übers Wasser fahren. Doch so
eine Gletscherflussdurchquerung mit normalem Auto geht selten gut.
Ist die Sicht gut, kann man den Vulkan Hekla, der im Hochland in einer kargen Mondlandschaft liegt, aber auch von der Ringstraße aus sehen. Es ist einer der berühmtesten und aktivsten Vulkane des Landes. Deshalb hielt man ihn im Mittelalter auch für den Eingang zur Hölle. »Unter der Erde singt ein andrer, der schwarzrote Hahn in den Sälen Hels«, lautet ein Reim
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