Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
eine schaurige Begegnung ist, dass auf einem Hof in der Einöde ein freundlicher Mensch die Tür aufmacht, Pfannkuchen und heiße Schokolade anbietet und sich über Heinrich Heine, Goethe oder Stefan Zweig unterhalten will, deren Werke er so schätzt.
Irgendwann sehe ich die Lichter von Höfn. Selten war ich so erleichtert. Auf den letzten Kilometern fängt das Auto an zu röcheln. Aber ich schaffe es noch, gerade so. Und dann mache ich den Besitzer eines Restaurants im Ort reich. Weil ich zum Essen zwei Glas Rotwein trinke. Für zwanzig Euro. Autsch.
Am nächsten Tag tanke ich und fahre den ganzen Weg zurück. Die Inselumrundung bewahre ich mir für ein anderes Mal auf. Noch einmal passiere ich die Wunderwelten voller Gletscher, Wüsten, Lava, Bergen, Wasserfällen und schwarzen Küsten und fühle mich ganz beschwingt von der Natur und den Stürmen, die um mein Auto pfeifen. Gerade will ich dem Satz zustimmen, den ich in einer Zeitschrift gelesen hatte: »Eine Reise nach Island ist eine Rückkehr zum Wesentlichen.« Da katapultiert mich eine SMS von Gisli zurück zu den irdischen Dingen: »Hi Andrea. Hast du einen guten Trip? Wann machen wir das Schafskopf-Fest?«
Gislis Nachrichten kommen übrigens immer im rechten Moment. Bei diversen Fahrten hatte er mir Tipps gegeben. Und mir immer haargenau in dem Moment eine Nachricht geschickt, wenn ich gerade an einem Ort angekommen war, über den er mir etwas mitteilen wollte. Zum Beispiel nett gemeinte Warnungen vor isländischen Playboys (»Frag einfach, wie es seinen Enkelkindern geht!«) oder Geschichten über Dinge am Wegesrand. Mir war, als wüsste er immer genau, wo ich bin, und auch, als würde ich dem Schafskopfessen einfach nicht mehr entkommen.
Das einzige Museum seiner Art
Bevor ich am nächsten Tag zurückgehe in die Redaktion, habe ich in Reykjavík noch etwas anderes vor. »Das ist ein fürchterlicher Ort«, warnt Eeva mich, als ich das Haus verlasse. Aber ich gehe trotzdem los in Richtung Laugavegur, denn dort liegt ein Museum der ganz besonderen Art. »Ich kenne den Museumsdirektor«, hatte meine Kollegin Elín mir vorher erzählt, »der war mal mein Spanischlehrer.« Das kann auch nicht jeder behaupten, dass sein ehemaliger Spanischlehrer der Direktor des Phallusmuseums ist, denke ich. Sie haben ganz richtig gelesen: In Island gibt es ein Phallusmuseum. Es ist das »vermutlich einzigste seiner Art, wo man die Phallen aller Säugetiere des Landes gesammelt hat«, steht nicht ohne Stolz auf der Homepage des kleinen Museums geschrieben. Heute liegt das Museum übrigens in Húsavík, der Hochburg für Walbeobachtung im Norden von Island. Damals, 2003, aber findet es sich noch in einem kleinen gelben Haus im Hinterhof der Laugavegur in Reykjavík.
Ein Metallschild in Form eines Penis weist den Weg. Kaum hat man den blau gestrichenen Raum mit den Exponaten betreten, fällt der Blick auf ein Arsenal von Einmachgläsern, die auf
Regalen stehen. Darin schwimmen, eingelegt in Formalin, komische, meist käseweiße, verschrumpelte Glieder in allen möglichen Formen und Größen. Von den Wänden stehen getrocknete Wal-Phalli ab, die auf Holz montiert sind und mit Messingschildchen versehen. An der Decke hängen Lampen mit seltsam behaarten Schirmen. »Das sind gegerbte Stierhoden«, klärt mich Sigurður Hjartarson auf, der Museumsdirektor. Er trägt einen Vollbart, ein blaues Hemd und eine Hose, die von schwarzen Hosenträgern gehalten wird. Und wenn er seinen Gästen etwas zeigen will, greift er gern zum gegerbten Stierpenis – und benutzt ihn als Zeigestock.
Mit den Stierpenissen hat ja schließlich auch alles angefangen. Und mit einer Lehrerparty in Akranes, im Westen von Island. Sigurður erzählt sie gern, die Saga seines Museums. Es war das Jahr 1974. Er war gerade Schulleiter einer kleinen Gesamtschule, als er auf einer Party eingeladen war, die sein Leben verändern sollte. Denn dort gab er die Geschichte zum Besten, wie man den Bullen früher nach der Schlachtung die Penisse abschnitt, sie gerbte und daraus Pferdepeitschen machte. Und wie der Zufall es so wollte, fuhr einer der Kollegen am nächsten Tag zu einem Hof, auf dem vier Bullen geschlachtet werden sollten. »Soll ich dir die Penisse vielleicht mitbringen?«, fragte der Kollege. »Warum nicht?«, antwortete Sigurður.
»Und so«, erinnert sich Sigurður, »kam am Montag darauf die Frau des Kollegen in die Schule und gab mir vier Bullenpenisse in einer Plastiktüte.« Eine neue Leidenschaft
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