Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
begann. Sigurður wurde zum Sammler von Säugetierpenissen, die er zunächst daheim in seinem Arbeitszimmer hortete. Bis er sich 1997, mittlerweile in Reykjavík, dazu entschloss, ein Museum zu eröffnen. Das machen Isländer übrigens gern: Museen eröffnen und seien sie noch so ungewöhnlich. Seitdem jedenfalls ist Sigurður der selbst
ernannte Direktor des Phallologischen Instituts und Leiter des Phallusmuseums. Es zeigt mehr als 200 Exponate von fast allen Land- und Meeressäugetieren in Island. Und zwar von der Feldmaus (Penisgröße: wenige Millimeter) bis zum Pottwal (Penisgröße: 1,70 Meter, ca. 75 Kilo). Ein Eisbärenglied ist auch dabei, »mit beiden Hoden, aber ohne Penisbein«, so steht es im Museumskatalog. Denn natürlich gibt es auch einen Museumskatalog. Darin sind die Tiernamen auf Latein, die Fundorte, die Größenangaben der Glieder und die Aufbewahrungsart verzeichnet.
Denn »egal, was man tut, man muss es mit Überzeugung tun«, findet Sigurður. Und schon fängt der ehemalige Geschichts- und Spanischlehrer an, zu dozieren. Die Phallologie sei eine »uralte Wissenschaft«, die in Island bisher kaum Beachtung fand. Selbst Biologen seien auf diesem Gebiet nicht sehr bewandert. Nicht einmal die Art der Kopulation mancher Walarten sei bekannt. Sigurður schüttelt den Kopf. »Da gibt es so vieles, was man nicht weiß«, sagt er und begrüßt nebenbei eine Gruppe junger Frauen. Sie sind auf Junggesellinnen-Tour und wollen ein Foto mit Maßband vor dem Pottwalpenis machen. Sigurður lässt sie herein. »Es ist nie zu spät, sich zu informieren«, gibt er ihnen mit auf den Weg.
Wo zum Teufel hat er die ganzen Exponate her, möchte ich wissen. »Ganz unterschiedlich«, sagt Sigurður. Die Glieder der Nutztiere kommen aus Schlachthäusern. Er hat da einen Kumpel, der in einem arbeitet. Die Walpenisse stammen zum Teil noch aus der Zeit in Akranes. Einige seiner Lehrerkollegen arbeiteten im Sommer in der Walfangstation und brachten ihm manchmal welche mit. Außerdem hat Sigurður Freunde beim Institut für Meeresforschung. Die rufen ihn hin und wieder an, wenn irgendwo ein Wal strandet. Dann packt Sigurður sein Sezierbesteck ein und fährt los.
In der Penis-Präparierung sei er mittlerweile Experte, erzählt Sigurður stolz. Früher sei ihm so mancher Fehler unterlaufen. Mit Silikon soll er sie füllen, hatte ihm jemand geraten. »Aber guck, was dann passiert«, sagt er und zeigt enttäuscht auf ein Walglied, das von der Wand absteht. »Es ist gebrochen.« Schließlich handele es sich ja um organisches Material, das sich bei Feuchtigkeit und wechselnden Temperaturen selbst dann noch verändert, wenn es schon längst von seinem Träger getrennt ist. Heute ist Sigurður schlauer und hat sogar eine eigene Methode entwickelt. Wenn er einen Penis trocknen will, höhlt er ihn aus, füllt ihn mit Salz und hängt ihn für sechs bis sieben Wochen auf. Zwei oder dreimal muss das Salz gewechselt werden, dann ist er fertig, kommt auf eine Holzplatte, daneben ein graviertes Messingplättchen. »Und man muss sich keine Sorgen mehr machen«, sagt Sigurður.
Insgesamt drei Arten, die Phalli auszustellen, hat er sich ausgedacht: getrocknet, als Ganzes in Formalin (mal mit, mal ohne Hoden) oder schlicht die Penisknochen. Die sind Sigurður wichtig, weil auch sie ein Rätsel sind. »Niemand weiß, warum einige Tiere Knochen haben und andere nicht«, sagt er. Um an sie heranzukommen, kocht er die Glieder in einem Kochtopf. Dann ist es leichter, die Knochen herauszulösen.
Sigurður liebt sein kleines Museum. »Einer muss es ja tun«, antwortet er auf die Frage, warum um Himmels willen er solch ein Museum betreibt. Und stopft sich dabei gespielt geschäftig eine neue Ladung Kautabak in den Mund. Nur auf eine Frage reagiert er empört. Auf die nach seinem liebsten Ausstellungsstück. »Würdest du eine Mutter fragen, welches Kind sie am liebsten hat?« Er schüttelt den Kopf. »Ich liebe sie alle, weißt du.«
Und genau wie Vulkan-Villi freut er sich, dass er hier so viele Leute aus der ganzen Welt kennenlernt. Heimlich führt er Statistik:
60 Prozent der Besucher sind Frauen. Die meisten Gäste sind aus Amerika, England und Deutschland, schätzt er. Und sein wichtigstes Ziel ist, »dass die Leute das Museum mit besserer Laune verlassen. Ich versuche immer für gute Stimmung zu sorgen.«
Auch ein Blick ins Gästebuch des Museums lohnt sich. »Ich kann jetzt wieder schlafen«, schreibt ein Gast, »hier gibt es kleinere
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