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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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er einen Ersatz hernehmen sollte, war ein weiteres Problem, über das sich Sir Lancelot später Gedanken machen wollte. Man hatte keinen klaren Kopf zum Nachdenken, wenn die Schuhe voller Regenwasser waren.
    »Na, haben Sie heute Glück beim Fischen?«
    Sir Lancelot wandte sich um. Ein etwa sechzehnjähriger Junge mit einem Sturzhelm grinste von einem auf der Brücke abgestellten Motorroller herab. »Glück beim Fischen...«, murmelte Sir Lancelot. An diesem Fluß, im besten Fischgebiet Englands, ja vielleicht der ganzen Welt! Wo man in einer Atmosphäre künstlicher Fliegen, gut geschnittener Tweedanzüge und gepflegten Englischs wohlerzogene Forellen fing...
    »Mit Glück hat das wenig zu tun«, rief er zurück.
    »Was nehmen Sie als Köder? Würmer?«
    Sir Lancelot verschlug es den Atem. Das war ein Wort, das die Mitglieder seines Angelklubs niemals auch nur aussprachen. Einmal hatte es einen heute schon fast vergessenen Skandal mit einem Klubkollegen gegeben - noch dazu einem geistlichen Herrn -, den man an einer abgelegenen Stelle dabei erwischt hatte, als er seine statutenmäßige künstliche Fliege gegen eine fette Made austauschte.
    »Ich nehme gerösteten Käse als Köder.«
    »Was Sie nicht sagen! Beißen sie heute an?«
    »Sie beißen nicht an«, sagte Sir Lancelot eisig, »sie lutschen.«
    Er warf seine Angelrute wieder aus und blickte wild genug drein, um jeden Fisch schreckerfüllt stromaufwärts fliehen zu lassen. Wie kommt man dazu, fragte er sich, beim Gebet oder beim Fischen von umherstreunenden Ignoranten mit Sturzhelmen gestört zu werden?
    »Warum setzen Sie sich denn nicht? Dann würden Sie nicht so müde.«
    »Ich leide bedauerlicherweise an einem schmerzhaften Zustand meiner Rückseite.«
    »Aha! Hämorrhoiden, nicht wahr?« fragte der Zaungast mit verständnisvollem Grinsen. »Ich würde gern mal Ihre Angel ausprobieren.« - »Das glaub’ ich Ihnen!« - »Herr Doktor!!!«
    Sir Lancelot fuhr herum. Aus der Hütte neben der Brücke tauchte Pilcher, der Flußaufseher, auf, ein kleiner Mann mit einer Pfeife, der - so fand Sir Lancelot - Popeye, dem Seemann, ähnlich sah. Pilcher liebte alle Fische, als wären sie seine Kinder, und er hatte weit eher Flußwasser als Blut in seinen Adern. »Ein Anruf für Sie, Herr Doktor. Wichtig. Aus London.«
    Sir Lancelot fluchte. »Wer verlangt mich denn?«
    »Ich weiß es nicht, Herr Doktor. Meine Frau war am Telefon.«
    Sir Lancelot wußte, daß Pilcher eine geradezu krankhafte Furcht vor Telefonen hatte. Er hängte seine Angel vorsichtig in die Astgabelung eines kleinen Baums, wischte sich die Hände in sein rotgepunktetes Taschentuch, stapfte in die gute Stube der Hütte und nahm den Telefonhörer ans Ohr.
    »Spratt am Apparat.«
    »Lancelot, Liebling, du scheinst nicht besonders gut aufgelegt zu sein...«
    »Wer zum Teufel spricht dort?«
    »Frankie.«
    Sir Lancelot biß sich auf die Lippen. »Ich hab’ einen sehr anstrengenden Morgen hinter mir. Unter anderm bin ich während eines Sturmes fast ersoffen.«
    »Und jetzt tobt dieser Sturm gerade über London. Miß MacNish hat mir diese Telefonnummer gegeben. Ich hab’ mich bei dir für heute abend zum Essen eingeladen. Paßt dir sieben Uhr dreißig?«
    Sir Lancelot brummte.
    »Sie sagte, daß du spätestens zu Mittag zurück sein wirst - und natürlich werde ich rasend gern wieder ein bißchen ihre wunderbare Küche verkosten.«
    »Wie du weißt, Frankie, freut es mich immer außerordentlich, dich zu sehen.«
    »Nun, im Augenblick klingst du nicht geradezu besonders ergötzt. Aber das, was ich dir zu sagen habe, wenn wir uns sehen, wird dich bestimmt in eine bessere Laune versetzen. Es ist etwas äußerst Wichtiges, aber weil es sich um eine offizielle Angelegenheit handelt, kann ich am Telefon nicht darüber reden. Wir sehn uns also heute abend...«
    Er legte den Hörer auf und verließ die Hütte. Er überquerte den Vorgarten und die Straße, die zur Brücke führte, und ging auf das Ufer des Bratpfannentümpels zu. Wie vom Schlag gerührt blieb er stehen.
    »He, Sie! Legen Sie diese wertvolle Angel sofort aus der Hand!«
    Der Motorrollerfahrer, noch immer mit dem weißen Sturzhelm auf dem Kopf, drehte sich grinsend um. »Sie haben recht. Es ist schwerer, als es aussieht.«
    Sir Lancelot kam auf ihn zu und packte die Angel am Korkgriff. »Was zum Teufel fällt Ihnen ein, hier schwarz zu angeln?«
    »Ich dachte, es würde Ihnen nichts ausmachen.«
    Mit der freien Hand bedeckte Sir Lancelot die Augen.

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