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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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mußte mit jemand reden.
    Es war wieder ein schöner Morgen, und Tulip Twyson kam rasch und munter durch das Haupttor, die Hefte in der Hand. Ihre blonde Mähne flatterte im Wind. Als Muriel ihr über den Hof entgegeneilte, blieb Tulip wie angewurzelt stehen.
    »Muriel! Was ist los, Schatz? Du siehst aus, als wärst du einem Gespenst begegnet. Oder vielleicht einem von deinen Patienten.«
    »Erinnerst du dich an das, was ich dir gestern erzählt habe? Uber die Sorgen, die ich mir gemacht hab’?«
    »O Gott! Willst du damit sagen, daß du wirklich schwanger bist?«
    Muriel nickte verdrossen. »Es ist ganz sicher. Ich nahm eine Probe ins Pathologielaboratorium und ließ sie vom alten Winterflood untersuchen.«
    »Vielleicht hat er einen Fehler gemacht. Er ist in letzter Zeit ziemlich konfus.«
    »Das hab’ ich gehofft. Ich hab’ ihn den Test vor meinen Augen wiederholen lassen, und ich hab’ jede seiner Bewegungen verfolgt. Er hat den Harn aus dem Testfläschchen mit meinem Namen genommen. Er hat einen Tropfen auf die schwarze Scheibe appliziert. Er hat zwei Tropfen des Reagenzmittels dazugegeben.«
    »Keine Agglutinisierung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Keine Spur.«
    »Arme Muriel! Das klingt ziemlich endgültig. Natürlich sind auch diese immunologischen Tests nicht hundertprozentig genau...«
    »Sie sind es zu achtundneunzig Prozent. Das genügt doch wohl?«
    »Ich fürchte, es hat dich tatsächlich erwischt...«
    »Es ist ein fürchterlicher Schock. Abgesehen von allem anderen ruiniert es meine Chancen für die Goldmedaille.«
    »Jetzt wird sie diese kleine fette Zecke Sharpewhistle gewinnen.«
    »Es hat ihn auch erwischt. Es ist sein Baby.«
    »Wie, bitte?«
    »Edgar Sharpewhistle. Nach dem Mai-Ball ist’s passiert.«
    »Aber, Muriel! Du mußt nicht ganz bei Trost gewesen sein.«
    »Ich war ein wenig angesäuselt. Vielleicht mehr als ein wenig. Aber, du weißt, ich bewundere Edgar. Sehr.«
    »Natürlich. Sicher ist er sehr charmant und ein reizender Unterhalter, wenn man ihn näher kennt«, sagte Tulip schnell.
    »Tatsache ist, daß ich ihn heiraten werde.«
    »Heißt das nicht die Schwangerschaft ein wenig zu ernst nehmen?«
    »Ich bin verliebt in ihn.«
    »Jetzt redest du dummes Zeug.«
    »Besser gesagt, vielleicht werde ich mich später daran gewöhnen, ihn zu lieben. So etwas soll doch vorkommen?«
    »Hör zu, Muriel, du bist nicht das erste Mädchen, das nach einer Party in ein fremdes Bett und dann in andere Umstände geraten ist. Wenn alle dann die Kerle heiraten, würden sie damit niemandem etwas Gutes tun außer den Scheidungsanwälten. Ich weiß das so gut wie alle anderen: wenn man beschwipst ist, dann kommt einem alles, was Hosen anhat, begehrenswert vor.«
    Muriel sah sie hilfesuchend an. »Was soll ich tun?«
    »Die gynäkologische Ambulanz ist ab neun Uhr offen.«
    Muriel zögerte. »Weißt du, Tulip, ich hab’ absichtlich heute früh auf dich gewartet. Wohl weil ich unbewußt geahnt hab’, daß du mich überreden wirst, mir die Sache anders zu überlegen, und damit einen Teil der Verantwortung übernimmst. Aus eigenem hätte ich mich niemals zu einer Abtreibung entschlossen. Ich hab’ damit gerechnet, daß du mich überzeugen wirst.«
    »Kleine menschliche Schwächen kommen täglich vor, nicht wahr, mein Schatz? Man sollte nie jemanden um Rat fragen, außer man ist überzeugt, daß man eigentlich den Rat gar nicht braucht.«
    »Ich glaube, ich sollte doch mit... dem Vater in spe darüber reden.«
    »Ja, letztlich geht es ihn irgendwie auch an.«
    Muriel sah auf die Uhr. Es war kurz nach neun. Sie wußte, daß ihr strebsamer Bräutigam irgendwo im Spital sein würde. Er verbrachte im allgemeinen gern eine Stunde vor der Krankensaalvisite im Pathologie-Museum und sah sich dort die Präparate an.
    Sie verabschiedete sich von Tulip und nahm denselben Weg wie am Tag vorher. Diesmal kletterte sie jedoch nicht die Feuertreppe hoch, sondern ging durch den Haupteingang des Pathologie-Trakts in den Raum, der das Erdgeschoß einnahm. Er war mit Gestellen angefüllt, auf denen in gläsernen Spiritusflaschen Dinge ausgestellt waren, mit denen Patienten ins Spital gekommen waren und ohne die sie es verlassen hatten. Das einzig Lebendige in diesem Raum war Edgar Sharpewhistle, der in seinem kurzen weißen Mantel verzückt auf einen Behälter starrte, der eine große, über und über mit purpurnen Flecken bedeckte Milz enthielt.
    »Edgar, ich möchte mit dir reden.«
    »O hallo,

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