Wo fehlt's Doktor?
würden Sie bitte so freundlich sein, mich vorher zu informieren? Schließlich trage ich als Dr. Bonaccords Sekretärin die Verantwortung für den Haushalt und das Hauspersonal. Sollten Sie wünschen, Miß MacNishs Unterhaltung in ihrer Freizeit zu genießen, so ist das natürlich ganz ihre Sache. Guten Tag.«
Sie schloß die Tür. Ihre Lippen wurden schmal. Sie trat in die Küche. »Was haben diese Blumen hier zu suchen? Ich habe Ihnen nicht erlaubt, Blumen zu bestellen.«
»Sir Lancelot brachte sie, Mrs. Tennant. Für mich.«
»Und weshalb polieren Sie diese Schüssel?«
»Sie schätzen es sicherlich nicht, wenn sie angelaufen ist, nicht wahr?«
»Ich schätze sie überhaupt nicht. Weder so noch so. Sie ist viel zu altmodisch.«
»Sir Lancelot pflegte zu sagen, daß gutes Essen es verdient, auf Silber serviert zu werden.«
»Und ich habe gesehen, daß Sie heute früh Doktor Bonaccords Kaffeetasse aus seinem Arbeitszimmer geholt haben. Dieses Zimmer sollen Sie, bitte, ohne meine Erlaubnis nicht betreten.«
»Sir Lancelot wäre es sicher unangenehm, schmutziges Geschirr unter seinen Akten zu finden.«
»Darum geht es ja. Die Akten eines Psychiaters sind streng vertraulich. Apropos: meine persönlichen Papiere befinden sich im Schreibtisch auf dem Stiegenabsatz. Er ist stets verschlossen.«
Miß MacNish fuhr mit dem Polieren fort. »Ich bin keine, die überall herumspioniert, Mrs. Tennant.«
»Sicher nicht, aber es ist am besten, wenn wir unsere Einstellung zueinander gleich zu Beginn festlegen.«
»Sir Lancelot hat mir immer vertraut.«
»Das können wir sicher auch tun und wir sollten nicht hinter dem Rücken des andern übereinander reden. Dr. Bonaccord wird heute abend zu Hause essen. Um acht Uhr, bitte.«
»Sir Lancelot hat immer um sieben Uhr diniert...«
»Miß MacNish, seit Sie vor weniger als vierundzwanzig Stunden hier eingezogen sind, haben Sie mich über das, was Sir Lancelot paßt oder nicht paßt, alle zwanzig Minuten auf dem laufenden gehalten. Wir sind hocherfreut, daß Sie sich entschlossen haben, für uns zu arbeiten. Wir schätzen Sie sehr, aber wir interessieren uns nicht im geringsten für Sir Lancelots Gewohnheiten.«
»Ich versuche bloß, dem Herrn Doktor so zu dienen, wie ich es gewohnt bin.«
»Ich glaube, ich kenne Dr. Bonaccords Vorlieben und Antipathien gut genug. Es ist nur notwendig, daß Sie genau auf mich hören.«
»Ich bin nicht gewohnt, Mrs. Tennant, mir anzuhören, was die Sekretärinnen meiner Dienstgeber über irgend etwas zu sagen haben.« Sie stellte die Schüssel in die Kredenz zurück, daß es nur so klirrte.
Gisela blickte sie starr an, zuckte die Schultern und verließ das Zimmer. Sie ging in den straßenseitigen Salon zurück, wo ihre Reiseschreibmaschine neben einem Stapel Briefe bereitstand. Sie lüftete ihren Rock und setzte sich hin. »Ich wüßte gern«, sagte sie zu sich, »ob das den Ausschlag gibt. Ich war wirklich bewundernswert unhöflich. Sie ist uns zugeflogen. Soll sie wieder hinausfliegen.«
Sie spannte ein Blatt Papier in die Schreibmaschine ein und machte sich an die Arbeit. Nie und nimmer würde sie sich damit abfinden, daß auch nur ein Schatten zwischen ihr und Cedric Bonaccord stünde.
19
»Zur Agentur Hotblack«, sagte Sir Lancelot.
Er kletterte in den Fond eines Taxis. Es war zwanzig Minuten später. Er hätte ein Ambulatorium im St. Swithin eröffnen sollen, aber er hatte seinen Assistenten gebeten, ihn zu vertreten. Es war, dachte er, eine lächerliche Zeitverschwendung, eine Arbeitsvermittlung im West End aufzusuchen. Eine noch lächerlichere Zeitverschwendung aber war es, sein Bett selbst zu machen. »Ich bin Chirurg«, sagte er sich, »und nicht Putzfrau.«
Das Taxi hielt vor einer einfachen Einfahrt zu einem würdevollen steinernen Gebäude hinter dem Burlington House, nicht weit von den Maßschneidern, die Sir Lancelot seine korrekten Anzüge und auch - ohne mit der Wimper zu zucken - seine haarigen rötlichen Tweed-Jacketts lieferten. Ein Metallschild neben der Tür verkündete schlicht: »Hotblack’s«. »Sieht solid aus!« murmelte er und trat ein.
Hinter einer inneren Glastür befand sich ein kleines, einfaches Büro, das im zurückhaltenden Empire-Stil eines Harley-Street-Wartezimmers möbliert war. Hinter einem Tisch mit zwei Telefonapparaten und einem in Leder gebundenen Telefonbuch saß ein dunkelhaariges, modisch gekleidetes junges Mädchen und betrachtete ihn mit einem Blick, in dem sich
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