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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor?
Autoren: Richard Gordon
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Lancelot zog die Augenbrauen hoch. »Du meinst den Burschen, der auf dem Mist schläft? Eine komische Situation. Ibsen hätte vielleicht etwas daraus gemacht.«
    »Meine Tochter ist ein seltsames weibliches Wesen.« Der Dean nahm noch einen Schluck Kognak. »Sie gerät ihrer Mutter nach.«
    »Während ich jetzt für diesen verdammten Vizekanzlerposten übrigbleibe.«
    Sir Lancelot leerte sein Glas zur Hälfte. »Weißt du, was der letzte Streich dieser Hampton-Wick-Studenten war?« fragte er verzagt. »Es wurde ihnen langweilig, anstelle der Professoren symbolisch Strohpuppen aufzuhängen...«
    »Das kann ich mir vorstellen. Sie machen das schon eine ganze Weile.«
    »So haben sie beschlossen, die Sache einmal echt zu probieren. Der arme Kerl ist, glaube ich, mit einem steifen Nacken und einem schweren Schock davongekommen. Noch dazu war er ihr Professor für Kriminologie.«
    Der Dean zuckte zusammen. »Wenn wir bloß Bonaccord dazu bringen könnten, den Posten doch anzunehmen. Es würde mir wirklich nicht viel ausmachen, wenn sie ihn aufhängen. Oder ihn, wenn sie gerade dabei sind, rädern und vierteilen.«
    »Er hat mir schon gesagt, daß er die Stellung nicht annimmt.«
    »Könnten wir nicht Druck auf ihn ausüben?«
    »Was für einen Druck? Wir können ihn nicht erpressen. Er macht überhaupt kein Hehl aus seiner unzüchtigen Beziehung zu diesem Weibsstück, und das Gerede macht ihm auch nichts aus.«
    »Aber in seinem Alter wäre der Vizekanzlerposten in Hampton Wick ein großer Schritt vorwärts in seiner Karriere. Kann er die Sache nicht von der praktischen Seite sehen?«
    »Praktisch? Sei nicht albern. Er ist Psychiater.« Kurzes Schweigen. »Frankie ist an allem schuld.«
    Der Dean nickte.
    »Ich glaube, da hast du recht.«
    »Noch dazu war es Frankie, die mich statt zu einer Stellenvermittlung in ein Eheanbahnungsinstitut geschickt hat.« Zum erstenmal lachte der Dean. Sir Lancelot sah ihn unwirsch an. »Ich kann daran nichts Lustiges sehen, Dean. Frankie hat uns einfach beide hineingelegt. Zweifellos sieht sie in uns beiden zwei lächerliche alte Narren.«
    »Weißt du, Lancelot, ich beginne jetzt etwas zu glauben, was ich schon lange geahnt habe: Frankie ist ein Luder.«
    »Ich muß dir leider zustimmen, Dean.«
    Der Dean gähnte. »Wir sollten uns jetzt lieber schlafen legen. Du hältst morgen Prüfungen in Chirurgie ab, wenn ich nicht irre.«
    Sir Lancelot nickte.
    »Das erfordert wenigstens keine großen geistigen Anstrengungen von dir. Ich nehme an, du möchtest dir einen Pyjama ausborgen.«
    »Mach keine dummen Witze. Ich würde darin aussehen wie ein Nilpferd in der Haut eines Zebras.«
    Als Sir Lancelot nackt unter Josephines Bettdecke lag, sagte er: »Lionel, jetzt ganz ehrlich... hast du jemals mit Frankie...?«
    »Ganz ehrlich, Lancelot... Nein.«
    »Du nimmst mir die Frage nicht übel?«
    »Nicht im geringsten.« Eine kurze Pause. »Und... in aller Ehrlichkeit... hast du...?«
    »In aller und absoluter Ehrlichkeit... Nein.«
    »Erinnere mich morgen früh, Lancelot, daß ich ein wenig an einem Artikel herumfeilen muß, den ich in meiner Schreibtischlade habe.«
    »Und vielleicht kannst du mich erinnern, daß ich eine kleine literarische Arbeit, die ich in meiner Schreibtischlade habe, verbessern muß?«
    »Selbstverständlich, Lancelot. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Lionel.«
    Der Dean drehte das Licht aus. Lange starrte er durch die Dunkelheit zur Zimmerdecke, während ihm seine Nöte durch den Kopf gingen. Sir Lancelot hingegen schlief binnen einer Sekunde ein und schnarchte unerschütterlich.
     

23
     
    Kurz vor acht Uhr dreißig am folgenden Morgen hastete der Dean die Stiegen zum breiten Gramtportal des Old Bailey empor. Einen Augenblick blieb er im Foyer stehen und betrachtete verwirrt die vielen Anwälte, Polizisten und - wie er annahm - Verbrecher. Als er einen helmlosen jungen Polizisten in der Portierloge erspähte, fragte er: »Wo finde ich bitte Herrn Dr. Humphrey Fletcher-Boote?« Um nichts auszulassen, fügte er hinzu: »Königlicher Rat.«
    »Sie finden ihn vermutlich im Anwaltszimmer, Sir.«
    »Er sagte, er würde mich hier draußen abholen.«
    »Sind Sie ein Mandant von ihm, Sir?«
    »O nein«, protestierte der Dean, »zumindest noch nicht.«
    »Lionel! Da bist du ja! Lieber alter Freund! Was für ein unerwartetes Vergnügen.«
    Die tiefe Stimme, die mit lobenswerter Fairneß das eine Mal die Untaten von Verbrechern anprangerte, dann wieder honigsüß deren Unschuld beteuerte,
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