Wo geht’s denn hier ins Paradies?
steht in der Eingangshalle.“ Sie sah Sven mit einem kleinen Lächeln an. „Ich hab gewusst, dass Sie zu Ingo wollen. Und das ist auch richtig so. Er braucht Sie jetzt.“
„Aber meine Termine …“
„Die kann ein anderer wahrnehmen. Niemand ist unersetzlich. Aber wenn ein lieber Mensch in der Klinik liegt …“
„Schon gut. Sie haben ja Recht.“ Er nahm die Achtunddreißigjährige in den Arm. „Wann hab ich Ihnen das letzte Mal gesagt, dass Sie ein Schatz sind?“
„Vor einem Jahr etwa.“ Sie schob ihn zur Tür. „Ich weiß es auch so. Also jetzt – los. Machen Sie sich noch kurz frisch, ich rufe Ihnen ein Taxi. Und am Set sag ich Ihrem Assistenten auch Bescheid.“
Diese Frau ist mit Gold nicht zu bezahlen, dachte Sven, als er schließlich im Taxi saß, das ihn in Rekordzeit hinaus nach Erding zum Flughafen brachte.
„Ich zahle alle Strafen“, hatte Sven dem jungen Fahrer erklärt. „Aber ich muss den Flieger kriegen.“
„Und ich riskiere dafür meine Lizenz. Nee, nee, das kommt nicht …“
„Bitte. Ich muss nach London. Mein Freund liegt in der Klinik und …“ Seine Stimme brach.
„Ich tu ja, was ich kann.“ Noch ein wenig schneller schoss der Wagen durch die Straßen. Und wie durch ein Wunder kam es weder zu einem Unfall noch zu einer Polizeikontrolle. Nicht mal in eine Radarfalle gerieten sie.
Knapp fünf Stunden später betrat Sven das St. George-Hospital und erkundigte sich nach Ingo Thelen.
„Innere Abteilung – bei Professor Donaldsen.“ Die junge Frau lächelte ihm zu, doch Sven hatte keinen Blick für sie. Mit langen Schritten ging er durch die Halle, betrat einen der vier Aufzüge und orientierte sich kurz an den Hinweisschildern.
Angst hielt ihn in ihren Krallen. Angst um Ingo, den Menschen, der ihm seit Jahren so unendlich nahe stand. Sie ergänzten sich perfekt – in privaten Dingen wie auch künstlerisch. Er, Sven, war praktisch veranlagt, bodenständig und auch darauf bedacht, dass es ihnen finanziell gut ging. Ingo hingegen war Künstler durch und durch. Liebenswert, ein bisschen durchgeistigt oft, allem Schönen zugetan. Und natürlich musikbesessen. Sie hatten sich erst kürzlich wieder heftig gestritten, weil Ingo irgendwo in New York eine angeblich echte Handschrift von Gustav Mahler entdeckt – und für ein Vermögen gekauft hatte. Dabei musste das Dach des Bungalows saniert werden, die Gartenmöbel waren alt und sollten eigentlich neu angeschafft werden, der alte Citroen, mit dem Ingo so gern fuhr, würde sicher nicht mehr durch den TÜV kommen …
„Wir verdienen beide gut, doch Millionäre sind wir nicht“, hatte Sven dem Freund vorgeworfen, als dieser mit seiner kostbaren Neuerwerbung heimgekehrt war. „Du bist so was von leichtsinnig! Hast nicht mal eine Expertise!“
„Die wird nachgeschickt.“
„Ja, weil der Fälscher noch nicht fertig war!“
Sie stritten bis in die späte Nacht. Dann fuhr Sven zur Arbeit, Ingo ruhte sich einen Tag aus, begann dann im Studio die Proben zu einer neuen Einspielung von Mozart-Sinfonien. Daran anschließend kam die London-Reise … und sie waren immer noch nicht richtig versöhnt!
Beide hatten viel zu viel zu tun, um sich richtig auszusprechen. Und einen ruhigen gemeinsamen Abend gönnten sie sich auch nicht. Aus Trotz? Verletzter Eitelkeit? Egoismus? Zeitmangel?
Ich bin Schuld, warf sich Sven vor, als er die Innere Abteilung betrat und sich zu Ingos Zimmer durchfragte. Ich hab einfach auf stur geschaltet. Wie so oft …
Er klopfte kurz und öffnete im nächsten Moment auch schon die Tür.
„Ingo … was machst du …“ Er brach ab, denn am Bett des Freundes saß ein schwarzhaariger junge Kerl und hielt Ingos Hände an die Lippen gepresst. Und Ingo … seine Hand lag auf dem Haar des Typen, schien ihn zu streicheln oder zu trösten.
„Ach so.“ Sven presste nur diese zwei Wörter hervor, dann drehte er sich auch schon wieder um und stürmte davon.
„Sven … Lieber …“ Der Kranke richtete sich mühsam auf. „Mist“, fluchte er dann.
„Was ist denn, Dad?“ Der junge Mann richtete sich auf.
„Sven … er war hier. Und denkt jetzt Gott weiß was.“
„Aber – hast du ihm denn nichts von mir erzählt?“ Peter Reeves sah seinen Vater stirnrunzelnd an. „Ihr lebt doch schon so lange zusammen … weiß er gar nichts vom Mom und mir?“
Der Kranke schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab’s nie erzählt.“
„Na, dann wird es aber Zeit, dass er es erfährt. Soll ich ihm
Weitere Kostenlose Bücher