Wo geht’s denn hier ins Paradies?
Selbstvorwürfen. Stundenlang konnte Karsten auf ein Bild von Ellen starren, Rotwein trinken und sich sagen, dass er sein Elend selbst schuld war.
Es änderte nichts.
Drei Wochen später, es war drückend schwül gewesen und die Dreharbeiten mehr als anstrengend, erschien Janine. Unangemeldet wie immer. Doch diesmal nicht sprühend vor Elan, sonders sanft und liebevoll.
„Wie fühlst du dich?“ Sie strich ihm nur kurz über den Arm nach der Begrüßung.
„Siehst du das nicht?“
„Doch. Und deshalb …“
„Sei still. Und lass mich in Ruhe.“ Er ging ihr voran zur Terrasse, wo neben dem Laptop ein Glas Rotwein stand. Der Aschenbecher quoll über.
„Was – du rauchst wieder?“ Janine sah ihn überrascht an.
„Ja. Wen interessiert das?“
„Aber du hast seit drei Jahren nicht mehr geraucht. Und warst so froh, das Laster los zu sein.“
„Jetzt hab ich es eben wieder angefangen.“ Er wies auf einen Sessel. „Setzt dich und sag mir, was du hier willst.“
„Mit dir reden. Und … dir helfen.“
„Du mir helfen!“ Ein bitteres Lachen kam aus seiner Kehle. „Danke, aber darauf kann ich nun wirklich verzichten. Du hast mir schon so herrlich geholfen – mein Alleinsein wieder zu finden.“ Die Ironie troff nur so von seinen Lippen.
Janine biss sich auf die Lippen. Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt, ihm klar gemacht, dass er sie verletzte, wenn er Ellen so offensichtlich nachtrauerte. Aber geschickt hielt sie sich zurück. Jetzt nur kein falsches Wort! Keine unbedachte Reaktion! Sie hatte einen Plan, und der sollte nicht fehlschlagen!
„Du bist nicht allein“, sagte sie und kniete sich neben ihn. Ein schimmernder Blick traf ihn. Ein Blick, in den Janine alles an Zärtlichkeit und Verlangen legte, was sie als Schauspielerin bewerkstelligen konnte. „Du weißt, dass du mir viel bedeutest … was muss ich denn noch tun, um es zu beweisen?“ Sie vermied es geschickt, jetzt in Tränen auszubrechen. Nur nicht übertreiben! Das hatte sie gelernt!
„Lass mir meine Ruhe, mehr will ich nicht.“ Karsten griff nach seinem Glas, nahm einen langen Schluck.
„Ich … ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber das ist lange her. Jetzt bin ich eine Andere, glaub mir.“ Sie streichelte zögernd über sein Knie. „Karsten, ich hab mich aufrichtig in dich verliebt. In den Mann Karsten Gerhard, nicht in den Schriftsteller. Oder den Freund des Produzenten. Das interessiert mich nicht. Nur du … du bist mir wichtig!“
Lag es am Rotwein? An der Einsamkeit, die er inzwischen als bedrückend empfand? An der Luft, die knisternd und wie mit Elektrizität aufgeladen war? Oder doch an der Nähe dieser schönen Frau, die ihn jetzt mit einem Blick anschaute, der unter die Haut ging?
Aufseufzend zog der Mann Janine hoch, presste sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem hellen Haar. Tief atmete er den zarten Duft nach Jasmin und Rosen ein, der Janine umgab.
Nur kurz blitzte es in den Augen der schönen Frau auf. Gewonnen!, dachte Janine, hob die Arme und schlang sie um Karstens Nacken. Mehr tat sie nicht. So schwer es auch fiel. Aber … jetzt sollte, jetzt musste er den nächsten Schritt machen, nur dann konnte sie die Situation als richtigen Sieg werten.
Von den Bergen her erklang leises Grummeln, es wetterleuchtete und leichter Wind kam auf.
„Das wird ein Gewitter geben“, meinte Karsten.
„Hmm …“ Sie lehnte den Kopf noch ein wenig fester an seine Schulter.
„Wir … wir sollten rein gehen.“
Janine regte sich nicht, aber sie spürte deutlich, dass er unruhig wurde. Und das hatte wahrlich nichts mit dem herannahenden Gewitter zu tun!
Na also, es geht doch, triumphierte sie, als seine Hände auf Erkundungsreise gingen, als sein Atem schwerer und schneller wurde – und seine Lippen ihren Mund suchten.
Krachen am Himmel. Ein greller Blitz zuckte auf, tauchte die Terrasse und die beiden Menschen, die sich leidenschaftlich küssten, in weißes Licht.
Sie merkten es nicht, kamen erst zur Besinnung, als erste schwere Regentropfen niederprasselten.
Lachend stand Janine auf. „Schnell, sonst werden wir nass bis auf die Haut“, lachte sie, griff nach der Weinflasche und dem Glas. Karsten selbst nahm ein paar Manuskriptseiten, die achtlos zur Erde geweht waren, hoch und versuchte sie vor dem völligen Durchweichen zu schützen, indem er sie unter sein Hemd schob.
Er taumelte ein wenig, als er ins Wohnzimmer ging. Der Rotwein … es musste doch zwei, drei Gläser zuviel erwischt
Weitere Kostenlose Bücher