Wo geht's hier nach Arabien
Mogadischu. Die ganze Welt schaut auf die Hauptstadt Somalias. Die Story ist weltberühmt, mehrfach verfilmt, tausendmal erzählt. In Kürze: Palästinensische Terroristen entführen im Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine » Landshut« auf ihrem Flug von Mallorca nach Deutschland. Andreas Baader und 15 andere Terroristen sollen freigepresst werden. Die Terroristen dürfen sich erst einmal ein paar Länder aussuchen, in die sie ausgeflogen werden wollen, sie wünschen sich Algerien oder Libyen oder Irak oder Südjemen oder Vietnam. Wischnewski fliegt los, um die Länder zu kontaktieren, stürzt einmal fast ab, und kehrt mit der Information zurück, dass kein Land sie haben will. Bundeskanzler Helmut Schmidt und der Krisenstab, in dem auch Franz Josef Strauà sitzt, lassen sich auf den Erpressungsversuch auch gar nicht ein. Es beginnt die Odyssee der » Landshut«, Kapitän Schumann wird auf einem Zwischenstopp in Aden umgebracht, die Maschine landet letztendlich in Mogadischu. Die Passagiere stehen kurz vor dem Kollaps.
Ben Wisch fliegt hin. Er redet den somalischen Präsidenten schwindelig, verhandelt mit den Entführern, er schindet Zeit und bekommt schlieÃlich von der somalischen Regierung die Erlaubnis, die GSG 9 das Flugzeug stürmen zu lassen. Es klappt. Der Triumph ist grenzenlos.
Für heutige Verhältnisse sind alleine die technischen Schwierigkeiten, die sich damals stellten, gar nicht mehr vorstellbar. Kein Handy, kein Internet, nur eine hundsmiserable Telefonverbindung nach Deutschland. In den entscheidenden Minuten der Befreiung muss das Telefonat von Somalia nach Deutschland über Rom geführt werden:
Bundeskanzleramt: »Es sind ein paar Störungen drin.«
Wischnewski: »Hallo.«
Bundeskanzleramt: »Ja, wir hören.«
Wischnewski: »Hallo.«
Bundeskanzleramt: »Hallo! Ja, jetzt kommt der Bundeskanzler.«
Helmut Schmidt: »Helmut Schmidt, Helmut Schmidt hier! Ich höre dich kaum.«
Rom: »Einen Moment, Herr Bundeskanzler â hallo Mogadischu â ja, der Bundeskanzler ist am Apparat â sprechen Sie jetzt.«
Wischnewski: (unverständlich)
Helmut Schmidt: »Helmut Schmidt hier, langsam sprechen, bitte.«
Wischnewski: (unverständlich)
Helmut Schmidt: »Hans-Jürgen â Hans-Jürgen â hallo!«
Rom: »Hallo Frankfurt, hallo Frankfurt, Herr Schmidt, ich glaube, man kann gar nicht sprechen auf diese Weise.«
Als Hans-Jürgen Wischnewski mitten im libanesischen Bürgerkrieg wieder einmal irgendetwas mit irgendwem verhandelt, wird er auf dem Flughafen von Beirut beschossen. Der libanesische Drusenführer Walid Jumblatt, mit dem er ein paar Tage später in Damaskus zusammensitzt, entschuldigt sich mit den Worten: » Wenn wir gewusst hätten, dass Ben Wisch auf dem Flugplatz ist, hätten wir mit der BeschieÃung auch zwei Stunden später anfangen können.«
Ben Wisch ist beliebt und geachtet, er wird mit dem höchsten palästinensischen Orden ausgezeichnet, und er gilt als harter, aber fairer Verhandlungspartner. Doch vor allem pflegt er seine Kontakte und kennt sich aus, kann unterscheiden zwischen den verschiedenen Lagern und hat ein Gespür, wer wann was entscheiden kann. Als Hans-Jürgen Wischnewski im Februar 2005 in der Kölner Uniklinik stirbt, verliert das politische Deutschland sein Wissen über die arabische Welt. Kein anderer Politiker danach hat solch ein Vertrauen in der arabischen Welt genossen.
Doch Hans-Jürgen Wischnewski pflegte neben seinen heiklen Missionen auch eine Leidenschaft für die kleinsten Dinge dieser Welt: Er sammelte Briefmarken. Natürlich sah er seine Passion in einem groÃen Zusammenhang und meinte, die Marken seien schlieÃlich » das Spiegelbild unserer Geschichte«. Aber wahrscheinlich hatte er einfach Spaà daran. Wer weiÃ, ob nicht manchmal sogar die Hobbys der Politiker bessere Verbindungen über die Grenzen hinweg knüpfen als bilaterale Verträge. Nach schwierigen Verhandlungen schenkte ihm einst der Erste Sekretär der sowjetischen Botschaft einen Satz sowjetischer Lenin-Marken, mit besten GrüÃen von Gromyko.
Im Alter von 60 Jahren hält Hans-Jürgen Wischnewski eine viel beachtete Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Es ist der 30. September 1982, und Afghanistan ist seit drei Jahren von sowjetischen Truppen besetzt. Ben Wisch spricht über
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