Wo geht's hier nach Arabien
55 Cent eine Sonderbriefmarke. 300 Millionen Karajan-Schallplatten und -CDs wurden verkauft, und es werden nicht weniger. Am Ende blieb ein Vermögen von einer halben Milliarde Euro übrig. Für die einen ist er heute noch ein » Wunder«, für die anderen der » Nazidirigent«.
Jeder wollte ihn haben. Auch die Libanesen. Im Jahr der deutschen Studentenrevolte 1968 reist Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern nach Beirut, der Hauptstadt des Libanon am östlichen Rand des Mittelmeeres, damals das » Paris des Nahen Ostens« genannt. Von dort aus geht es ein paar Stunden weiter landeinwärts in die Bekaa-Hochebene zum Ruinengelände von Baalbek.
Das Bekaa-Tal im Grenzgebiet zu Syrien ist aus vielen verschiedenen Gründen berühmt geworden. Eingeweihte Gourmets wissen, dass dort die älteste WeiÃweinsorte der Welt angebaut wird, wer auf härtere Drogen steht, dem sagt eher der Begriff » Roter Libanese« etwas. In der Bekaa haben deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg ihre Regimentskasse » verloren«, ein Goldschatz, nach dem bis heute von vielen vergeblich gesucht wird, und in den Pferdekoppeln der Bekaa-Orte werden Araberhengste gezüchtet, die für Rekordsummen in die nobelsten Reitställe der ganzen Welt verkauft werden.
Eine unrühmliche Berühmtheit der Gegend sind die iranfreundlichen Hisbollahkrieger, die im wohlbegründeten Verdacht stehen, in ihren Verliesen israelische Gefangene zu verstecken.
Manch andere interessieren sich in dieser schönen Gegend nur für die antiken Steine. In Baalbek werden wohl schon immer die Götter verehrt. Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, egal wann. Die Tempel werden immer gröÃer, die Steine immer höher aufgeschichtet. Und wie immer, wenn es im Mittelmeerraum um ansehnliche Tempelanlagen geht, haben auch die Römer ihre Hand im Spiel. Kaiser Augustus siedelt um das Jahr Null in der Bekaa-Ebene zwei ausgediente römische Legionen an. Damit sie sich dort nicht so verloren vorkommen, baut man auch gleich noch den Jupitertempel um. Die Ãberreste stehen bis jetzt, als gröÃte noch existierende Tempelanlage der Antike. Und einmal im Jahr wird dort Musik gemacht, seit 1955 gibt es das » Festival International de Baalbek«.
In den fünfziger und sechziger Jahren galt der Libanon als die » Schweiz des Nahen Ostens«. Der Libanon war dafür berühmt, an ein und demselben Tage im Meer baden zu können und oben im Gebirge Ski zu fahren. Es gab Libanesen, die man weltweit respektierte, darunter Charles Habib Malik, der ein maÃgeblicher Autor der » Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« war. Ein Araber!
Der amerikanische und europäische Jetset verkehrte an den Stränden um Beirut. Die Bilder von Marlon Brando und Frank Sinatra in Badehosen hängen Jahrzehnte danach noch im Fishing Club von Byblos. Die Bardot war da, Charles Aznavour mehrmals, und die Wahl zur schönsten Frau der Welt wurde auch im Libanon abgehalten. Da durfte Karajan nicht fehlen.
Mit » seinen« Berliner Philharmonikern wird er 1968 zum Baalbek-Festival eingeladen. In der geräumigen Tempelanlage werden mehrere Bühnen aufgebaut, Sitzreihen für das Publikum hochgezogen, Lampen installiert und Kabel verlegt. Bis zu 5000 Besucher können pro Abend dem sommerlichen Outdoorspektakel folgen. Der Mond bescheint die antike Szenerie, und auf der Bühne wechseln sich im Rahmen des Festivals arabische Musikstars mit JazzgröÃen ab. Sting, Ella Fitzgerald, und die Carmina Burana, Ballett und sinfonische Musik, Tanztheater und Kammermusik, die allsommerlichen Aufführungen bieten für jeden Geschmack das Richtige.
Herbert von Karajan ist schon 60 Jahre alt, als er in Baalbek den Taktstock hebt. Als Chefdirigent ist er verantwortlich für den Klang seines Orchesters, und der kann so schlecht nicht gewesen sein, heiÃt es über die Berliner Philharmoniker. SchlieÃlich bleibt Karajan 34 Jahre in diesem Amt. Es ist das gröÃte Geheimnis der Musikgeschichte, ob in seinem Arbeitsvertrag unzulässigerweise der Passus » auf Lebenszeit« stand oder nicht.
Die Musiker sind Staatsangestellte, also Cello-Beamte und Bürokraten-Bläser. Das Arbeitsklima unter Karajan ist rauer als im normalen Staatsdienst, denn wenn Karajan einen Sänger nicht leiden kann, schaltet er in den fünften Gang und hetzt alle durch das Programm. In Salzburg ist er geboren,
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