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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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als in einem deutschen Ingenieursbüro? Wir verursachen den täglichen Kollaps auf den Straßen, wir kennen Staus, Geisterfahrer, Massenkarambolagen und die geheimnisvollen Rotphasen in der städtischen Ampelschaltung. Fußballspiel, Oktoberfest und Winterschlussverkauf. Rempeln, Nörgeln, Panikattacken.
    Hochqualifizierte Verkehrsforscher suchen längst einen Ausweg aus dem Durcheinander.
    Leicht verständlich, dass die saudische Regierung in Deutschland nach Hilfe suchte und sie auch fand. Erfahrene Verkehrsforscher widmen sich nun dem Massenansturm in Mekka. Hadsch statt A 9.
    Da aber kein Ungläubiger die Heilige Stadt Mekka betreten darf, wird die Situation in einem Duisburger Büro am Computer simuliert. Das ist für Herrn K. aus D. kein Problem. Er hat seine Doktorarbeit in Physik gemacht und ist anerkannter Spezialist, wenn es um die » Evakuierung von Fahrgastschiffen« geht. Für dieses Spezialgebiet hat er am Computer Simulationsprogramme entwickelt. Also wird auf die Mekkareise verzichtet, die große Moschee wird einfach eingescannt und erscheint in 3-D auf dem Bildschirm. Für die drei Millionen Pilger stehen die vielen kleinen roten Punkte, die sich kreisrund um das Zentrum bewegen. Schon lange wird über eine Verbesserung der Infrastruktur in Mekka nachgedacht. Immer wieder kommt es zu Unglücksfällen mit Toten und Verletzten. Als im Jahr 1990 eine Massenpanik ausbrach, wurden 1427 Pilger totgetrampelt.
    Jede Religion hat ihre Pilgerei. Die Christen fahren nach Rom und Jerusalem, die Buddhisten an die Orte, an denen Buddha gewirkt hat, die Juden an die Klagemauer, die Hindus an den Ganges. Aber in Mekka machen alle zur selben Zeit dasselbe. Herr K. aus D. erfindet nun Notwege, Ausweichschleusen, Rettungsgassen. Aufwendige Umbauten werden nötig sein. Alles kein Problem, Geld spielt keine Rolle.
    Die heiligsten islamischen Stätten liegen schließlich in Saudi-Arabien. Dort hat man Öl, also Kohle.
    Das Herrscherhaus gilt als rückständig und fundamentalistisch. Aus Saudi-Arabien stammen 15 der 19 Attentäter des 11.September, Osama bin Laden wurde in der Hauptstadt Riad geboren. Die Sa’uds, so wird der Name richtig gesprochen, gehören der Religionsgemeinschaft der Wahhabiten an. Diese Bewegung ist erst im 18. Jahrhundert entstanden und hatte zum Ziel, die Verderbtheiten, die sich ihrer Meinung nach im Lauf der Jahrhunderte in den Islam eingeschlichen hätten, auszurotten. Sie verurteilen die Verehrung von Heiligen und deren Gräbern als Blasphemie, Wallfahrten seien nichts als Irrwege. Kurzum: Die Zustände aus dem 7. Jahrhundert sollen gefälligst wiederhergestellt werden.
    Als im Jahre 1802 schiitische Pilger nach Kerbela kommen, töten die Wahhabiten über 2000 von ihnen und vernichten die verehrten Gräber. Kaum haben sie die Macht über die ganze Arabische Halbinsel, kommt es zu einer gigantischen Massenhinrichtung, man geht von 40 000 Toten aus. Dann zerstören die Wahhabiten die Gräber und das Geburtshaus des Propheten, plündern die Moschee in Medina. Heute heißen sie die geldbringenden Wallfahrer aus der ganzen Welt an den Wirkstätten der Frühzeit des Islam willkommen.
    1987 erschossen saudische Militärs über 400 Mekkapilger aus dem Iran, die die Wallfahrt zu einer Demonstration nutzten, da Saudi-Arabien den Kriegsgegner Irak unterstützte. Über die deutschen Beziehungen zu Saudi-Arabien schwadronierte einst Franz Josef Strauß: » Wenn ich in der Regierung wäre, hätte ich keine Sekunde gezögert, alle Waffenwünsche Saudi-Arabiens zu erfüllen.« Als der deutsche Außenminister Guido Westerwelle 2010 in Riad empfangen wurde, sagte der dortige Gouverneur, er sei herzlichst willkommen, Deutschland und Saudi-Arabien hätten ja eine ganz ähnliche Geschichte.
    Unsere Beziehungen sind gut. Bis hinein in das heilige Herz des Islam. Das Saudiland füllt nicht nur Herrn K. aus D. das Auftragsbuch. Die Firma Siemens war am Brückenbau für die Pilgerwege beteiligt, und eine schwäbische Firma produzierte die Zelte für 500 000 Pilger, nachdem 1997 eine ganze Zeltstadt abgebrannt war. Die Abwicklung vor Ort war völlig unproblematisch, da der Chef des Stuttgarter Unternehmens zum Islam konvertiert war. Dass die Saudis für die benötigten zwei Millionen Quadratmeter Zeltstoff satte 1,2 Milliarden Mark bezahlten, steht damit in keinem Zusammenhang.
    Die

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