Wo geht's hier nach Arabien
Die Kupplung ist hin. In das erste seiner vier Tagebücher schreibt Söderström: » Es sieht nicht so aus, als wenn die Autos die ganze Reise halten würden.« Aber ein Problem mit der Kupplung ist eine Bagatelle, denn sie sind auf weit gröÃere Probleme vorbereitet. Hinter Clärenores Automobil fährt ein LKW mit zwei Mechanikern und allem Drum und Dran, darunter 128 hartgekochten Eiern.
Für die Truppentransporte des Ersten Weltkriegs haben die türkisch-deutschen StraÃenbauer im ganzen ehemaligen Osmanischen Reich ein ordentliches StraÃennetz hinterlassen. Aber das ist auch schon wieder fast zehn Jahre her, und dementsprechend sieht es auch aus. Und wenn zu groÃe Steine im Weg liegen, kommt das mitgebrachte Dynamit zum Einsatz. Clärenore Stinnesâ Erinnerungen über den arabischen Streckenabschnitt lesen sich wie eine gemütliche Ausflugsfahrt. In Beirut wird im Meer gebadet, über steile Pässe geht es hinüber nach Damaskus, aber der Himmel ist immer blau und die Beduinen immer rührig. Hier wartet ein Botschafter mit Frühstück, dort ein Diplomat mit wichtigen Ersatzteilen. Dem jungen Ding muss doch geholfen werden. Aus Angst vor angriffslustigen Scheichs fährt man die Strecke von Damaskus nach Bagdad im Konvoi. Die Wüstenluft flimmert, es hat 54 Grad, aber das Auto fährt und fährt. Den » Adler«-Direktor freutâs.
Die Filmemacherin Erica von Moeller ist fasziniert von der Stinnes-Abenteuergeschichte und dreht jubiläumsgerecht im Jahr 2009 den Film Fräulein Stinnes fährt um die Welt. Genau 80 Jahre nach der Ankunft Clärenores in Berlin. Die Weltreise ist glücklich beendet. Man sieht wieder das burschikose, rauchende, selbstständige Mädchen, das wie eine Wilde Auto fährt. Historisch korrekt, deutsch, und trotzdem erfrischenderweise einmal nicht nazibelastet, die Tochter aufbegehrend gegen ihren Vater, den Industriemogul, eine tolle Frauengeschichte. Und trotzdem taugt sie ganz und gar nicht als Emanzenvorbild. Ãbrig bleibt doch eine Männerphantasie: Clärenore Stinnes hat sich ganz artig in ihren treuen Begleiter verliebt und ihm als ihrem Ehemann drei Kinder geschenkt. Dafür durfte sie auch mal am Steuer sitzen.
Herr K. in D.: Online
Wo: Mekka
Wann: Pilgerfahrt
Warum: Verkehrsforschung
E in Flugzeug, eine Palme, ein schwarzer Würfel. Was ist das? Jeder Arabienreisende hat dieses Bilderrätsel schon einmal an den Hauswänden gesehen. Meistens kommt die Art der Malerei nicht über naive Kunst hinaus, aber jeder weiÃ, was sie bedeutet: Hier wohnt ein Hadschi. Mit dem Flugzeug machte er sich auf die Pilgerfahrt nach Mekka und umrundete traditionsgemäà siebenmal das wichtigste Heiligtum des Islam, die Kaaba. Die Flugzeugabbildung wird bei Bedarf durch ein Schiff oder ein Auto ersetzt, je nachdem, welches Verkehrsmittel der Wallfahrer benutzt hat.
Doch mit der Pilgerfahrt haben die moslemischen Gläubigen seit einiger Zeit Probleme. Weltweit wächst die Zahl der Moslems. Und einmal im Leben sollte jeder Gläubige nach Mekka pilgern. Das ist religiöse Pflicht, sofern es die Gesundheit und die Finanzen erlauben. Der Zeitpunkt für die Erfüllung der religiösen Aufgabe ist genau festgelegt, nämlich zwischen dem achten und dem zwölften Tag des zwölften islamischen Monats, der Dhul-Hidscha heiÃt. Im heiligen Bezirk angekommen, ist es mit den Vorschriften noch lange nicht vorbei. SchlieÃlich ist es mit ein paar freiwilligen Bittgebeten nicht getan, der Ablauf in Mekka ist seit Jahrhunderten minutiös festgelegt. Umrundet ein Gläubiger ein paar Tage zu früh oder zu spät die Kaaba, gilt das Ganze nur als sogenannte » kleine Wallfahrt«, arabisch Umra.
Würde eines fernen Tages jeder Mensch auf Erden Muslim sein, könnte er kein vollwertiger Muslim mehr sein, da es völlig ausgeschlossen ist, innerhalb der vorgesehenen Pilgertage mehrere Milliarden Leute durch die vorgeschriebenen Plätze zu schleusen.
Bereits heute ist der Pilgerstrom so gewaltig, dass Saudi-Arabien nur eine bestimmte Anzahl von Visa pro Jahr für die Gläubigen ausstellt. Ãber 30 000 saudische Beamte sind mit der Organisation des Hadsch beschäftigt, über ihre Arbeit wacht ein Hadsch-Minister. Trotzdem ist das Chaos oftmals nicht mehr zu verhindern.
Heillos verkeilte Menschenmassen: Wo in der Welt könnte man dies besser analysieren und verwalten
Weitere Kostenlose Bücher