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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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tatsächlich funktionierte. Rechthaben lässt uns verharren, wo wir sind. Irrtum zwingt uns, zu forschen und zu erkunden.
    In
Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen
entwickelt Thomas Kuhn ein ähnliches Argument, was die Wichtigkeit von Irrtümern angeht. Ein Paradigmenwechsel, so Kuhn, beginnt stets mit Abweichungen in den Kontrollergebnissen, also wenn Wissenschaftler feststellen, dass ihre Vorhersagen nicht stimmen. Als Joseph Priestley ein Minzpflänzchen unter eine Glasglocke stellte, um die Sauerstoffzufuhr zu unterbinden, erwartete er, dass das Pflänzchen genauso eingehen würde wie eine Maus oder eine Spinne unter denselben Umständen. Aber er hatte sich getäuscht: Die Pflanze wuchs weiter, sogar dann, wenn er allen Sauerstoff unter der Glasglocke verbrannte, bevor er die Pflanze darunterstellte. Der Fehlschlag stachelte Priestley an, das eigenartige Phänomen näher zu untersuchen, was ihn zu einer der wichtigsten Entdeckungen auf dem Gebiet einer Wissenschaft führen sollte, die wir heute Ökologie nennen: dass Pflanzen bei der Fotosynthese Sauerstoff erzeugen und damit eine entscheidende Rolle bei der Entstehung unserer Atmosphäre gespielt haben. Wie William James es ausdrückte: »Der Irrtum ist notwendig, um die Wahrheit hervorzuheben, genauso wie ein helles Bild einen dunklen Hintergrund braucht.« Wennwir uns irren, müssen wir unsere Annahmen infrage stellen, uns neue Strategien überlegen. Irren allein öffnet zwar noch keine Türen zum Nächstmöglichen, aber es zwingt uns, uns auf die Suche nach ihnen zu machen.
    Das Problem mit Irrtümern ist, dass wir sie gerne ausklammern. Als Kevin Dunbar die Daten seiner Laborstudie auswertete, war eine der erstaunlichsten Entdeckungen: Unglaublich viele Experimente lieferten Ergebnisse, mit denen niemand gerechnet hatte. Über die Hälfte der Daten, die die Forscher gesammelt hatten, wichen erheblich von ihren eigenen Vorhersagen ab. Dunbar stellte fest, dass die Forscher diese Abweichungen häufig Fehlern im Versuchsverlauf zuschrieben, einer Verunreinigung der Probe etwa, einer mechanischen Fehlfunktion oder einem Fehler beim Auswerten der Daten. Sie werteten das Ergebnis als Störung, nicht als Signal.
    Aus Irrtümern neue Erkenntnisse zu machen, war eine der Hauptfunktionen der Laborbesprechungen. Dunbars Studie ergab, dass Kollegen, die an anderen Projekten arbeiteten, weit eher bereit waren, den vermeintlichen Irrtum als wertvolles Ergebnis zu betrachten. Sie sahen das Problem aus einem anderen Blickwinkel, hatten keine vorgefertigte Meinung dazu, wie ein »korrektes« Ergebnis auszusehen habe, und das ermöglichte ihnen die Vorstellung, der Fehler könnte durchaus von Bedeutung sein. Wie der Autor und Journalist Jonah Lehrer anmerkt, trat dieses Muster auch bei einem der wichtigsten Durchbrüche in der Physik des 20. Jahrhunderts auf: bei der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Die beiden Physiker Arno Penzias und Robert Wilson hatten sie über ein Jahr lang für statisches Rauschen gehalten, bis sie bei einem zufälligen Gespräch mit einem Astrophysiker der Princeton University auf die Idee kamen, dass es sich bei dem Rauschen statt um einen technischen Fehler um das Echo des Urknalls handelnkönnte. Zwei brillante Wissenschaftler stolpern über Beweise, die in direktem Zusammenhang mit der Entstehung des Universums stehen und für deren Entdeckung sie später den Nobelpreis erhalten sollten, und ihre erste Reaktion ist: Unsere Messgeräte müssen kaputt sein.
    Vor etwa dreißig Jahren begann die Psychologieprofessorin Charlan Nemeth der Universität Berkeley, das Verhältnis von Störfaktoren, Widerspruch und Kreativität in Gruppen zu erforschen. In einem ihrer ersten Experimente zeigte Nemeth kleinen Gruppen von Testpersonen einfarbige Dias. Die Probanden sollten Farbton und Helligkeit beurteilen und anschließend frei assoziieren, was ihnen zu der jeweiligen Farbe einfiel.
    Wenn wir freies Assoziieren hören, denken die meisten unter uns unwillkürlich an Kreativität. Eine Werbeagentur braucht einen neuen Slogan für ein Waschmittel? Ein Freund möchte mit schlechten Kindheitserinnerungen positiver umgehen? Sie wollen ein Gedicht schreiben? Freies Assoziieren, so heißt es, hilft das Problem zu knacken!
    Psychologen lachen sich jedoch heimlich kaputt wegen der geradezu absurd vorhersehbaren Ergebnisse, die freies Assoziieren zumeist produziert. Fragen Sie hundert Menschen auf der Straße, was ihnen zu dem Wort »Grün«

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