Wo immer Du bist, Darling
schaffte es, ihre Freundin zu beruhigen. Vollkommen aufgeregt wuselte sie um Anja herum, bis Marlene schließlich ihre Autorität als Ärztin einsetzte und die beiden für die nächsten Stunden nach Hause schickte. Zu Recht.
Es dauerte noch bis weit in die Nacht hinein, ehe sich Anjas Körper endgültig auf die Geburt eingestellt hatte. Obwohl ihr die Schmerzen bisweilen den Atem verschlugen, konnte sie ihre Dankbarkeit nicht in Worte fassen. So viele Menschen umsorgten sie, kümmerten sich, standen ihr zur Seite. Gerührt hielt sie auf dem Weg zum Kreißsaal Marlenes Hand, während die Hebamme das Bett mit einer Gelassenheit schob, die sich wie Balsam auf ihre Nerven legte.
Die Geburt bescherte Anja unendliches Glück, kostete sie aber gleichzeitig immense Kräfte. Tief bewegt nahm sie ihren strampelnden Sohn aus Marlenes Armen entgegen.
Tränen der Ehrfurcht rannen über ihre Wangen, als sie zum ersten Mal in seine azurblauen Augen blickte, seine leicht bronzefarbenen Wangen streichelte, den Ansatz eines schwarzen Haarschopfes auf dem winzigen Köpfchen entdeckte. Ihr Herz hüpfte Satz um Satz, weil ihr klar wurde , wie viel äußerliche Gemeinsamkeiten er bereits jetzt mit Ramon besaß. Und irgendetwas sagte ihr, dass es auch einige innerliche geben würde. Sie schloss die Augen und dachte voller Liebe an ihn. Ramon, das ist dein Sohn, ich wünschte, du könntest ihn sehen.
Vorsichtig schmiegte sie den zarten Babykörper an sich und es dauerte nicht lange, bis ihr die Lider erneut hinabsanken.
Am nächsten Morgen galt ihr erster Gedanke ihrem Sohn. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wieder im Arm zu halten. Ungeduldig befreite sie ihre Beine von der Decke und rutschte aus dem hohen Krankenhausbett.
Just, als ihre Füße den Boden berührten, öffnete sich die Tür und eine ältere Krankenschwester kam herein, eine Patientin im Gefolge.
Anja erntete einen vorwurfsvollen Blick. »Also Frau Zimmermann, gerade von Ihnen als Kollegin hätte ich doch etwas mehr Einsicht erwartet. Legen Sie sich sofort wieder hin.«
Die junge Frau hinter der Krankenschwester verdrehte die Augen und beinahe hätte Anja laut aufgelacht. Es war naheliegend, dass sie nicht die Einzige war, die mit ihrem Verhalten den Unmut der Oberschwester auf sich gezogen hatte.
Sie räusperte sich, glitt aber gehorsam ins Bett zurück. Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass das Klinikpersonal nicht zimperlich handelte, wenn es um uneinsichtige Patienten ging.
»Ich wollte gern meinen Sohn sehen«, erklärte sie, während sie die Decke wieder bis zur Taille hochzog.
»Ich bringe das Kind, sobald ich Frau Schäfer umgesiedelt habe. Das dauert einen Moment.«
Als der Name ihrer neuen Zimmergenossin fiel, winkte diese kurz und zeigte auf sich.
Anja hatte nichts dagegen, etwas Gesellschaft zu bekommen und wartete, bis die beiden fertig waren.
Kaum hatte die Krankenschwester das Zimmer verlassen, drehte sich die junge Frau zu ihr. Anja schätzte sie ungefähr auf ihr Alter.
»Hallo, ich bin Petra. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich in dein Zimmer verlegt worden bin.«
»Aber sicher.« Sie lächelte ebenfalls. »Ich heiße Anja und keine Sorge, ich mache normalerweise keinen Aufstand. Aber weil ich weiß, wie knapp das Personal hier ist, dachte ich, ich mach mich selbst auf den Weg.«
Petra nickte verständig. »Wann ist dein Sohn zur Welt gekommen?« Sie setzte sich auf die Kante ihres neuen Bettes.
»Heute Morgen um 03:20 Uhr.«
»Heute?« Ihre Zimmergenossin staunte. »Ganz ehrlich, da würde ich an deiner Stelle noch nicht aufstehen. Meine Tochter Laura ist schon zwei Tage alt und ich bin noch wacklig auf den Stelzen. Habt ihr schon einen Namen für euren Sohn?«
Bei dem Wort »ihr« stolperte Anjas Herz schmerzlich. Wie sehr sie Ramon vermisste, gerade jetzt. Das ganze Erlebnis wäre noch um ein Vielfaches schöner, hätte sie es gemeinsam mit ihm erleben können. »Er wird Adrian heißen.«
Petra nickte begeistert. »Und was sagt der Vater?«
Sie schluckte schwer. Hastig versuchte sie, die Tränen zurückzublinzeln.
Ihre Zimmergenossin stand sofort auf und ließ sich auf ihrem Bett nieder. Ohne zu zögern, umfasste sie ihre Hände. »Ich bin manchmal einfach zu neugierig. Bitte entschuldige. Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst.« Sie seufzte schicksalsergeben. »Lauras Vater ist bei der Bundeswehr und gerade in Afrika. Ich werde ihn frühestens wieder in zwei Monaten zu Gesicht kriegen. Wahrscheinlich denke ich deshalb
Weitere Kostenlose Bücher